Krieg im Himmel
besonders sinnvoll klang. Wenn sie ihn gefoltert oder auch nur seinen Geist gefangen gesetzt hatten, warum gaben sie ihm dann die Möglichkeit zur externen Kommunikation?
»Jakob, ich muss mit dir reden.«
Es kam mir unheimlich vor, dass er noch kein einziges Mal aus der Offenbarung zitiert hatte.
»Wir kriegen dich schon wieder hin. Soll ich dich ausklinken? Den Stecker aus der Senso-Maschine ziehen, meine ich?«
»Nein. Du musst zu mir hereinkommen.«
Ich stutzte. War das die Falle?
»Ich bin ganz allein hier. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.«
»Bitte, wir müssen reden. Ich muss dir von der Operation Spiral erzählen.« Die Operation Spiral war ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen National Security Agency und des britischen Government Communications Headquarters, das dazu gedacht war, IHRE Kom-Systeme zu hacken. IHR Schwarmbewusstsein, um genau zu sein, auch wenn man sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig darüber im Klaren gewesen war. Der Punkt war, dass das alles gar keine Neuigkeiten mehr für mich waren.
»Ich habe mir den Schlossbrenner aus dem Anus gezogen«, sagte der Vikar.
Ich unterbrach meine Inspektion der medizinischen Instrumente. Seltsam, dass er das sagte. Er hatte recht, der Schlossbrenner, den ich benutzt hatte, um die Frachtschleuse der Santa Maria während der Meuterei zu öffnen, hatte in seinem Arsch gesteckt. Das war ein Punkt, den der Vikar definitiv wissen musste. Aber wenn man ihn gründlich verhört hatte, war sein Geist ein offenes Buch. Doch warum sollte jemand ihn während eines Verhörs ausgerechnet danach fragen?
»Ja«, sagte ich vorsichtig. »Und?«
»Und deshalb musst du mit mir reden, hier drinnen.«
»Das ist mir zu unsicher. Wo sind deine Folterer?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Ich weiß kaum, was real ist und was nicht. In vielerlei Hinsicht hat sich nichts geändert. Bis heute ziehen Dämonen zwischen den Sternen herum, und du bist mir einen Gefallen schuldig. Hier drinnen. Jetzt.« Jetzt klang es schon viel mehr nach dem Vikar.
Ich fand ein Kabel mit zwei Anschlüssen und steckte das eine Ende in die Senso-Maschine. Ich betrachtete das andere Ende. So etwas hatte ich nicht mehr gemacht, seit der ganze Ärger angefangen hatte. Ich gab mir Mühe, Gefallen an der Realität zu finden. Auch wenn es harte Arbeit war. Ich hob die Hand zum Nacken und spürte das beunruhigende Klicken, als der Stecker in den Anschluss glitt, der in meinen Körper eingebettet war.
Er war bereit für mich. Ich erschien als sehr gut gerenderter Avatar. Ich war einfach nur so, wie ich in der Santa Maria ausgesehen hatte, vor dem ganzen Ärger. Ich war etwas schlanker und wirkte etwas ungesünder. Ich gefiel mir nicht. Sogar eine Packung virtueller Zigaretten steckte in der Tasche meiner Kampfhose. Ich dachte, dass es mir nicht schaden würde, wenn ich mir eine gönnte, aber dann würde es für mich wieder schwerer, in der realen Welt darauf zu verzichten.
Er sah gesund und munter aus. Er trug immer noch seinen Bart, aber er war gestutzt, genauso wie sein Haar. Der hässliche integrierte Militärcomputer, der normalerweise aus einer Kopfhälfte ragte, fehlte. Er war wieder wie ein Priester gekleidet. Wir befanden uns in einer Kirche, aber es war nicht die an der Ecke Commercial und High Street in Dundee. Diese Kirche war offen und luftig. Sonnenlicht strömte durch hohe Buntglasfenster herein. Es ließ die Staubteilchen aufleuchten, die in der Luft schwebten. Die Wände bestanden aus unbearbeitetem Stein. Alles wirkte sehr alt und friedlich.
Über dem Altar hing anstelle des Kreuzes ein sich ständig veränderndes fraktales Spiralmuster. Alle Fenster zeigten Variationen der gleichen Szene. Irgendeine mächtige Bestie mit vielen Köpfen, vermutlich ein Drache. Daneben Kronen und Sterne, und es machte den Eindruck, als würde die Bestie die Sterne vom Himmel stürzen lassen. Dann bemerkte ich, dass die Buntglasfenster animiert waren. Auf der letzten Scheibe war eine strahlende Frau zu sehen. Sie hatte das Gesicht von Morag.
»Ich habe deine Dämonen gefunden«, sagte ich zu ihm.
»Sie haben mich gefunden.«
»Was haben sie bekommen?«
»Alles, was ich an relevanten Dingen weiß, nur wenig über dich und sie, aber alles über unseren Versuch, Gott zu schaffen.«
»Wo sind wir?« Mir fiel nichts Besseres ein, was ich hätte sagen können.
Der Vikar sah mich eine Weile nur an. »In einer Kirche nicht weit von dort, wo ich in
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