Krieg im Himmel
durchziehen mussten. Außerdem hatte Mudge dafür gesorgt, dass wir Anwälte bekamen, was sogar nach dem Kriegsrecht legal war, aber das Ende aller Karriereaussichten bedeutete, wenn man es versuchte. Scheiß drauf. Welche Karriere hatten wir zu verlieren?
Die meisten Garnisonsstädte sind Drecklöcher. Aldershot hatte sich große Mühe gegeben, alle anderen zu übertreffen. Das Ganze wirkte wie die verwesende Leiche einer Garnisonsstadt, die nur so lange wiederbelebt worden war, um als Bühne für diesen Zirkus dienen zu können. Andererseits lebten viele Vets in der Umgebung, und etliche von ihnen hatten sich vor dem hässlichen Betongebäude versammelt, um zu protestieren. Bislang war es wirklich nur ein Protest, aber er würde in einen Aufstand übergehen, wenn das Urteil schlecht für uns ausfiel. Ich glaube, sie trugen viel mehr dazu bei als unsere Anwälte, dass wir nicht wegen Meuterei erschossen, sondern unehrenhaft entlassen wurden.
Wir alle trugen Handschellen, nur Mudge nicht. Einer seiner Arbeitgeber hatte die Kaution für ihn bezahlt, als Gegenleistung für die Abdruckrechte der Story. Der Vikar war geknebelt worden, weil er bei jeder sich bietenden Gelegenheit sofort losschrie, vor allem, wenn Rolleston in der Nähe war. Rolleston saß im Publikum, genau hinter dem Staatsanwalt. Ich glaube, der Medienrummel um den Prozess hatte verhindert, dass wir einfach erschossen wurden.
Der Vikar stand unter schweren Beruhigungsmitteln, als er in den Zeugenstand gerufen wurde. Er musste gestützt werden, während er sich die Bedingungen vorlesen ließ. Er nickte und murmelte eine Zustimmung.
»Könnten Sie uns bitte in Ihren eigenen Worten die Ereignisse schildern, die zur Meuterei an Bord der Santa Maria führten?«, fragte ihn der Militärstaatsanwalt.
Der Vikar starrte mich an. »Und es gab einen Krieg im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte gegen Michael und seine Engel«, sagte er.
Ich sah, wie der Anwalt seufzte. Er war selber schuld. Schließlich hatte er den Vikar aufgefordert, es in seinen eigenen Worten zu beschreiben.
Dann drehte sich der Vikar zu Rolleston herum und starrte ihn an. Trotz der Beruhigungsmittel war der Wahnsinn in seinen Blick zurückgekehrt. »Ich weiß, wo Satan seinen Thron hat! Ich weiß, wo Satan seinen Thron hat!« Er schrie es immer wieder, bis man ihn bändigen konnte. Doch zuvor hatte sich Rolleston von seinem Platz erhoben und den Saal verlassen.
Ich schreckte aus dem Schlaf hoch. Etwas im Rhythmus der Geräusche des Zuges hatte sich verändert. Ich hatte mich schon immer gefragt, warum niemand den Vikar getötet hatte. Er musste irgendetwas gegen sie in der Hand haben.
Es lief nicht besonders dezent ab, den Güterzug in Coventry zu verlassen. Unter anderem fuhr ich sehr schnell an wütenden Wachleuten vorbei, wurde beschossen und zwang dann einen der Männer mit vorgehaltener Waffe, das Tor für mich zu öffnen. Anschließend kam wieder die Polizei, und ich versteckte mich. Sie jagten mich trotzdem.
Ich war selber beeindruckt, wie gut es mir gelungen war, mir mein ruhiges Leben zu vermasseln.
Nachdem ich mich als Kämpfer zur Ruhe gesetzt hatte, um eine Karriere als Jazz-Eremit zu beginnen, hatte ich es trotzdem irgendwie geschafft, schließlich durch ein altes Industriegebiet am Rand eines richtig großen Lochs zu kriechen.
Birmingham war während des FMK von einem der Äquatorialkonzerne angegriffen worden. Man hatte ein mit Finnen stabilisiertes kinetisches Projektil aus dem Orbit gestartet. Es hatte die Stadt mit der Wucht eines mittelgroßen Meteoriten getroffen und die Erdkruste durchschlagen. Und die zweitgrößte Stadt Britanniens war Geschichte gewesen. Nach dem FMK wurden kinetische Orbitalwaffen genauso wie nukleare Waffen geächtet. Es war zu leicht, damit der Welt einen Knacks zu versetzen. Wir hatten sie schließlich nicht einmal gegen SIE benutzt. Im Nachhinein betrachtet hatten wir das wahrscheinlich der Clique zu verdanken. Hätten wir sie eingesetzt, hätten auch SIE gelernt, solche Waffen zu erzeugen und gegen uns zu verwenden.
Die Birminghamer, die die furchtbare Verwüstung überlebt hatten, endeten in Flüchlingslagern rund um den riesigen Krater, der einmal ihre Stadt gewesen war. Ich vermutete, dass auch dieses aufgegebene Industriegelände, das hauptsächlich aus Lagerhäusern bestand, ein solches Flüchtlingslager gewesen war. Ihre Nachkommen lebten nach zweihundertfünfzig Jahren immer noch
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