Krieg im Himmel
Menschen zu beeinflussen, schien nur von Mudge übertroffen zu werden. Sofern er sich nicht auf den Dämon der Mythologie bezog, nach dem Balor sich benannt hatte. Natürlich war es so. Ich stöhnte. Obwohl ich gerade so etwas wie eine religiöse Erfahrung hatte, mangelte es mir an der Fähigkeit, sie vernünftig zu verarbeiten. Mir kam das alles einfach nur unsinnig vor. Ein erschreckender und schmerzhafter Unsinn.
»Meinte einen anderen Balor, der außerdem schon tot ist«, stieß ich mühsam hervor.
Nuada nickte. »Also bist du ein Krieger?«, fragte er erneut.
»Wie auch immer. Was bist du?«
»Ich bin Nuada Airgetlámh, und das bedeutet ›von der silbernen Hand‹. Ich bin ein Tuatha Dé Danann; ich war einst ihr König.« Er hob seinen silbernen Arm. »Aber ich bin nicht mehr vollständig.«
Das verstand ich. »Harter Krieg?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete er nur.
Ich nickte. »Mein Arm ist genauso.« Dann erinnerte ich mich daran, wo ich den Namen schon einmal gehört hatte. »Der Arm. Hast du dafür gesorgt, dass ich ihn bekomme? Du bist eine von diesen KI s mit Bewusstsein, die sich im Netz an eine religiöse Ikonografie hängen, nicht wahr?«
»Dachte, die würden nur im Fieberwahn von Hackern existieren«, sagte Morag.
Nuada ging nicht darauf ein.
»Wie bist du den weiten Weg hierhergekommen?«, wollte ich von ihm wissen.
»Es ist nur eine weitere Straße, die von Tir Na Nog fortführt.«
Das ergab natürlich gar keinen Sinn. Ich fragte mich, ob die Religionen etwas attraktiver für die Allgemeinheit wurden, wenn ihre Götter es schafften, sich nicht ganz so kryptisch auszudrücken. Dann kam mir ein seltsamer Gedanke.
»Moment mal. Der Arm. Versuchst du, mich damit zu identifizieren?«
Ich sah, wie Morag die Augen verdrehte. Ich glaube, in der großen elektronischen Hackerkirche sollte man sich während einer Erscheinung eigentlich etwas respektvoller verhalten.
»Der Widersacher kommt …«, begann Nuada.
»Ach, wirklich?«
»Jakob!«, zischte Morag mir zu. Sie klang zutiefst verärgert.
»Der Widersacher wird uns alle ertränken. Es wird nur einen Gott geben, und das wird ein Gott der Furcht sein.«
»Du meinst Demiurg?«
»Und wenn er uns ertränkt, wird er uns erkennen«, fuhr Nuada fort.
»Also kannst du Geheimnisse verbergen und wahren?«, fragte ich.
»Jetzt haben wir unsere eigenen Mysterien, aber nicht im Angesicht des Widersachers.«
»Okay, Demiurg ist der Böse. Das wissen wir. Und weiter?«
»Er wird unsere Macht erringen.«
Das klang gar nicht gut.
»Ist das sehr viel Macht?«, fragte ich.
Er sah mich nur an, als würde ich rein gar nichts verstehen.
»Wenn du dich vor Demiurg fürchtest, dann kämpfe«, sagte ich. »Kleide dich nicht in die Gewänder alter Götter und erwarte dann, dass andere die Arbeit für dich machen.«
Wieder sagte er nichts.
»Kannst du irgendetwas beisteuern?«
»Wenn wir in seine Nähe gelangen, werden wir übernommen, werden wir korrumpiert, werden wir vereinnahmt, und das willst du genauso wenig wie wir.«
»Gut, dann zeig dich endlich«, sagte ich.
»Um die Gefahr des Verbrennens einzugehen?«
»Also bleibst du lieber ein urbaner Mythos? Ein Hackermärchen? Was bist du überhaupt?«
»Wie ich bereits sagte. Ich bin Nuada Airgetlámh.«
Ich trat noch einen Schritt zurück. Trotz der seltsamen Art, wie ich ihn zu hören schien, bemühte er sich offenbar, seinen Tonfall so gleichmäßig und emotionslos wie möglich klingen zu lassen. Dennoch konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass eine gigantische Wut knapp unter der Oberfläche zurückgehalten wurde.
»Gut. Mit allem gebührendem Respekt: Was willst du von mir?«
»Du musst sie dazu bringen, dass sie Pais Badarn Beisrydd neu erschaffen.«
Ich warf Morag einen fragenden Blick zu. Sie zog sich geduckt in den Hintergrund zurück. Ihre Bewegungen hatten etwas Seltsames und Urtümliches. Was zum Henker ging hier vor sich?
»Ich weiß nicht, was das bedeutet.«
»Wenn du ein Krieger bist, dann sollten wir zu Blutsbrüdern werden.«
Er legte die Finger der silbernen Hand um die Schwertklinge, doch er berührte sie kaum. Aus der Hand blutete etwas, das wie verdampfendes Quecksilber aussah.
Wieder sah ich zu Morag hinüber. Die Schatten im Tunnel schienen sich zu verlängern und sie zu verschlucken. Sie bewegten sich wie etwas Lebendes über ihre nackte Haut. Ich fühlte mich räumlich distanziert, als wäre ich auf einem guten, aber erschreckenden Psychotropikum. Es war,
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