Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens
Marionette der Amerikaner war und nun versucht, eigene Akzente in der Region zu setzen. Dies geht nicht aus einem neuen Bewusstsein des reichen Erdölstaats hervor, sondern aus einer Verunsicherung, denn die Umwälzungen in den arabischen Ländern, die nun die Nachbarn Jemen und Bahrain erreicht haben, setzen das Königreich am Golf massiv unter Druck. Deshalb war Saudi-Arabien seit dem Ausbruch dieser Revolutionen ein wesentlicher Bestandteil der Konterrevolution. Geld, Religion und militärische Macht wurden bis jetzt eingesetzt, um die Revolte zu verlangsamen oder gar zu zerschlagen.
Alles begann mit der Aufnahme des geflüchteten tunesischen Präsidenten Ben Ali, der mit seinem Flugzeug in der Luft kreiste, nachdem seine früheren Verbündeten im Westen ihm die Landung verweigert hatten. Als Ben Ali von einem tunesischen Gericht zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde, weigerte sich Saudi-Arabien, ihn nach Tunesien auszuliefern. Auch die Gelder und Goldstücke, die er mitnahm, bleiben in Saudi-Arabien. Jemens Diktator Saleh hat in Saudi-Arabien ebenfalls Zuflucht gefunden. Gerne hätten die Saudis den dritten Diktator nun auch noch bei sich, aber Mubarak durfte das Krankenhaus in Scharm al-Scheich nicht verlassen, da er offiziell unter Arrest steht. Lange unterstützten die saudischen Medien Mubarak und stellten die Revolution in Ägypten als vom Ausland gesteuerte Sabotageaktion dar. Auch die Geistlichen im Königreich und die von Saudi-Arabien finanzierten Salafiten in Ägypten bezeichneten die Revolution als eine Sünde, weil sie die Macht des Herrschers in Frage stelle, was zu Unruhen und Spaltung führen könne. Die Tatsache, dass Mubarak bis jetzt nicht verurteilt wurde, kann damit erklärt werden, dass die Saudis einen Deal mit dem Militärrat in Kairo geschlossen haben: Wenn man Mubarak und seine Frau verschont, wird Saudi-Arabien dafür kräftig Wirtschaftshilfe leisten. Vier Milliarden Dollar wurden bislang geboten. Das Ergebnis war, dass Mubaraks Frau freigesprochen und Mubarak selbst aus »Rücksicht auf seine Gesundheit« nicht einmal in Untersuchungshaft genommen wurde. Zu Hause bot der saudische König eine großzügige Summe von 130 Milliarden Dollar für Wohnkredite, Stipendien und weitere soziale Projekte für junge Menschen an. Auch religiöse Institutionen wurden mit einer saftigen Milliardensumme bedacht.
Seit dem Jahr 1744 besteht ein Pakt zwischen dem saudischen Könighaus Al Saud und der fundamentalistischen Bewegung der Wahhabiten, die eine Machtteilung vorsieht: Das Königshaus herrscht unangefochten, und die Wahhabiten bestimmen die religiöse Bildung und kontrollieren die Moral auf der Straße. Der Wahhabismus war die Basis für die Entstehung der salafitischen Bewegung im 19. Jahrhundert, die nun weltweit auch mit saudischen Geldern ihre missionarischen Aktivitäten finanziert. Ihre Ideologie versucht, die Muslime zu der reinen Lehre des Ur-Islam zurückzuführen und eine Gesellschaft aufzubauen, wie sie in Medina im 7. Jahrhundert bestand. Alles, was unislamisch ist, wird verpönt. Auch andere islamische Richtungen wie der Sufismus oder das Schiitentum werden als Häresien angesehen. Äußeres Erscheinungsbild der Salafisten sind ein langer, unberührbarer Bart sowie ein nachthemdartiges weißes Hemd.
Salafisten überall in der arabischen Welt gelten heute als der verlängerte Arm der Wahhabiten Saudi-Arabiens. Obwohl die Salafisten aus ihrer Ideologie heraus gegen die Revolution waren und sich früher von der Politik fernhielten, haben sie in Ägypten nun zwei Parteien gegründet und einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Dadurch werden sie zwar die Muslimbrüder schwächen, aber womöglich mit ihnen später koalieren. Dies könnte im Sinne Saudi-Arabiens sein, da Ägypten sich dann kaum zu einer selbständigen regionalen Macht entwickeln würde, die den saudischen Interessen in die Quere käme.
Saudi-Arabien hat nicht nur Angst vor der Ausbreitung der Revolution, sondern auch vor einer Demokratisierungswelle in der Region, denn dies könnte seinen Einfluss in der arabischen Welt und sogar weltweit beeinträchtigen. Jede neue Ideologie, die früher in der Nachbarschaft viele Anhänger hatte, galt als Feind der Saudis und wurde von ihnen vehement bekämpft. Das gilt für den Sozialismus wie auch für die schiitische Herrschaftsideologie des Mullah-Regimes im Iran. Neuerdings ist es die Demokratie.
Deshalb verteilt das Land Geldgeschenke und stützt instabile Staaten
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