Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens
denn der Iran wird sich der islamischen Welt als Opfer einer saudisch-westlich-israelischen Verschwörung präsentieren. Und so wie Saddam Hussein während des zweiten Golfkriegs Raketen auf Israel abschoss, obwohl es sich nicht an dem Krieg beteiligt hatte, kann es zu einer ähnlichen »Entlastungsaktion« aus dem Iran kommen, um dem Krieg eine neue Dimension zu geben und die Araber in einen Gewissenskonflikt zu drängen.
Bei Saudi-Arabien und Iran handelt es sich um zwei veraltete Diktaturen, die keine Zukunft haben. Spätestens mit dem Ende des Erdölzeitalters werden beide Systeme, sollten sie sich nicht rasch modernisieren, der Geschichte angehören. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, bleibt ihr Zerstörungspotenzial groß. Für mich ist Saudi-Arabien die größte Gefahr für den Weltfrieden, denn es besteht aus einer schizophrenen Mischung aus Geld, Sippenkultur, amerikanischer Popkultur, modernen Waffen und einer religiösen Ideologie, die den Rest der Welt für Untermenschen hält. Die Tatsache, dass nicht nur Bin Laden, sondern auch 15 der 19 Attentäter des 11. September 2001 aus Saudi-Arabien stammten, ist nur durch diese explosive Mischung zu erklären.
Also geht die größte Gefahr in der Region nicht von der Muslimbruderschaft oder den Salafisten in Ägypten aus, sondern von der starken Polarisierung zwischen Saudi-Arabien, dem Iran und Israel. Der kleine Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern wird dabei nur eine Nebenrolle spielen. Die zentralen Alternativen für die Zukunft des Nahen Ostens und darüber hinaus der gesamten Welt sind aus meiner Sicht:
Schaffen es die beiden Diktaturen am Persischen Golf, die Region nachhaltig zu destabilisieren und die Welt sogar in einen dritten Weltkrieg zu stürzen?
Oder entsteht neben der Türkei eine neue demokratische regionale Macht namens Ägypten, um ein Gegengewicht zu den religiösen Diktaturen zu bilden?
Viele junge Ägypter und Tunesier, die nun stolzer sind als je zuvor, haben das Spiel Saudi-Arabiens durchschaut und stellen sich gegen die finanziellen Hilfen aus dem Golf. Sie wollen auf die saudische Gegenrevolution mit einer Gegenrevolution antworten. So, wie die Saudis die Diktatoren gegen ihre Bevölkerung unterstützt haben, wollen diese jungen Araber die saudische Bevölkerung gegen die Unterdrückung ihres Regimes unterstützen und sie zum Aufstand animieren. Sie vernetzen sich via Internet mit saudischen und sogar mit iranischen Dissidenten und Aktivisten und tauschen sich mit ihnen aus. Sie setzen ihre Hoffnung auf die mutigen Frauen in beiden Ländern, die trotz massiver staatlicher Gewalt weiterhin dafür kämpfen, dass sie eines Tages in Freiheit leben können.
Niemand konnte den Ausbruch der arabischen Revolutionen vorhersehen. Und niemand kann voraussagen, wohin sie nun steuern. Und so, wie alle Revolutionen des europäischen Frühlings von 1848 zunächst viele Rückschläge erleiden mussten, bevor danach irgendwann stabile Demokratien entstehen konnten, werden wir keine lineare Entwicklung in der arabischen Welt erleben, sondern vielmehr ein Hin und Her über einen längeren Zeitraum. Der innere Kampf der Kulturen ist nun in der arabischen Welt allgegenwärtig. Die Überreste des kalten Krieges, der religiöse Fundamentalismus und der Geist der Aufklärung kämpfen um die Herzen und Köpfe der jungen Menschen in der Region. Manche wollen die Religion in den demokratischen Prozess integrieren. Ich halte sie nach wie vor für einen Teil des Problems und nicht für einen Teil der Lösung.
Dieser Kampf birgt jedoch große Chancen für das Erwachsenwerden dieser Völker und für die Zukunft ihrer Beziehungen zu Europa, aber sicher auch Gefahren für den Frieden in der Region und in der Welt insgesamt.
[home]
Ein Marshallplan für die arabische Welt.
Chance und Verantwortung des Westens
V iele, die dafür plädieren, der Westen solle die arabische Welt auf dem Weg der Demokratisierung finanziell unterstützen, haben bedauerlicherweise keine Ahnung, wer und was unterstützt werden sollte. Oft benutzen sie Floskeln, die sich zwar schön anhören, aber keinen wirklichen Plan beinhalten, wie etwa »Wir müssen den Menschen vor Ort helfen, zivilgesellschaftliche Strukturen aufzubauen«, oder »Wir müssen dort Lehrlinge ausbilden, um die Mittelschicht aufzubauen«. Welche Lehrlinge und welche Strukturen meinen sie genau? Sie verwenden in der Regel drei Methoden, mit denen sie Druck auf die westlichen Politiker
Weitere Kostenlose Bücher