Krieg um den Mond (German Edition)
weitaus größten Teil der Aktienpakete behalten, was ihm weitaus lieber gewesen war. Damals! Heute verwünschte er sich jedes Mal für diese Entscheidung, wenn die Nachrichten die neuen Höchststände für Benzin zeigten. Vor einigen Wochen hätte er darüber gelacht. Er hätte zu den auserwählten gehört, denen die Preise an den Tankstellen egal waren.
„Hätte.“ Konjunktiv.
Heute lachte er nicht mehr.
Gordon hätte auch über die Anwaltskosten gelacht. Dreihundert Dollar die Stunde, und sein Anwalt wusste, wie man Stunden machte. Trotzdem, bei dem Wert seines Aktiendepots waren das Peanuts, erst recht, wenn man die Hebelwirkung seiner Optionsscheine berücksichtigte, die ihm sein Finanzberater empfohlen hatte.
Dann kam der dramatische Einbruch. Die Kurse fielen wie ein Stein und die Hebelwirkung der Optionen wirkte sich aus wie ein Turbolader - nur dass es ausschließlich abwärts ging.
Anfangs war Gordon gelassen geblieben. Es gab immer ein Auf und Ab an der Börse. Als die Flotte ausgelaufen war, hatte die Stimmung gedreht und ein Teil der Verluste von vorher war wieder ausgeglichen worden. Die Freude dauerte nur wenige Tage. Mit den Aktionen der Chinesen brach nicht nur der Dollarkurs ein. Alle Welt trennte sich von Aktien - vor allem von amerikanischen, als ob ihnen eine ansteckende Krankheit anhaften würde. Die New York Stock Exchange an der Wallstreet setzte an mehreren Tagen kurz nach der Öffnung den Handel aus, um einen Crash zu verhindern. Es nützte nichts. Sobald der Handel wieder aufgenommen wurde, gab es nur eine Richtung der Kurse: Abwärts. Die Profis bei den Banken und Fonds reagierten am schnellsten. Schließlich saßen sie den ganzen Tag vor ihren Börsensystemen. Die normalen Anleger waren wie so oft die Verlierer. Bis sie reagieren konnten, war es schon zu spät. Es gab nur eine Gruppe von Anlegern, die noch schlimmer dran waren: Die Anleger, die so mit anderen Problemen beschäftigt waren, dass sie gar keine Zeit für die Börse hatten. Dazu gehörte Gordon. Als er sich endlich mit seinem Aktiendepot beschäftigen konnte, war es für ihn später als zu spät. Seine finanzielle Bilanz war verheerend.
In sein Appartement konnte Gordon auch nicht. Mirjam hatte die Schlösser austauschen lassen und würde ohne Anwalt die Tür keinen Millimeter für ihn öffnen. Das kostete wieder Geld und Zeit. Zeit hatte er eigentlich genug - wenn er nicht das Hotel bezahlen müsste. Zum Glück hatte er es geschafft, den Portier beim Einchecken zu beeindrucken. Er war mit seinem teuren Wagen vorgefahren und hatte seine goldene American Express Karte vorgelegt. Das hatte ihn vor unangenehmen Fragen bewahrt - bisher. Der Portier würde bald merken, dass sein Kreditlimit erschöpft war.
Diese Gedanken kreisten in Gordons Kopf, während das Fernsehen die Hintergrundgeräusche abgab. Ein reguläres Programm fand nicht mehr statt. Auf nahezu allen Sendern liefen unentwegt die Sondersendungen, die sich auffallend ähnelten. Entweder flimmerten Bilder der Flotte über den Schirm oder Bilder der neuesten Proteste. Seit zwei Tagen häuften sich Berichte von Plünderungen. Gordon sah nicht mehr hin. Sollten sie plündern. Was ihn interessierte, war sein Glas, dessen Füllstand schon wieder auf das untere Drittel gesunken war.
Zunächst war es nur eine Irritation. Etwas war anders, aber noch nicht so, dass es ins Bewusstsein drang. Gordon brauchte ein paar Minuten, um seinen gedanklichen Kreisverkehr anzuhalten und zu registrieren, dass die laufende Sondersendung einen anderen Ton eingeschlagen hatte. Die wohlvertraute Sprecherin von CNN kündigte sensationelle Bilder aus Europa an.
„Europa?“, stutzte Gordon. Amerika hat Probleme - mehr als genug. Was sollte Europa? Das Spiel fand zwischen den USA und China statt. Bis er wirklich aufnahmefähig war, verpasste er die Einleitung. Nur so viel bekam er mit, dass Europa die Hintergründe des Konflikts aufdecken wollte. Während Gordon noch über den Sinn dieser Aussage rätselte, tauchten Bilder auf dem Bildschirm auf, die ihm seltsam vertraut vorkamen. Das war der Mond, genauer, die Oberfläche, wie sie der Mond-Rover aufgenommen hatte. Von einer Sekunde auf die andere verschwand der Whisky-Nebel aus seinem Gehirn.
Gordon war nicht mehr überrascht, als kurz darauf die Schraube in die Aufnahme kam. Was ihn erstaunte, war die außerordentliche Qualität.
Verdammt, wie haben die Europäer das gemacht?
Die Aufnahmen waren besser, als er sie selbst zu sehen
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