Krieg um den Mond (German Edition)
dem Team sah Anne an, als ob sie ihren Verstand verloren hätte.
„Nicht wenden. Nur zurücksetzen“, wiederholte Anne.
„Was soll das? Es ist vorbei. Wir haben verloren.“
„Wir haben den ganzen Boden analysiert. Richtig?“
Holger nickte.
„Aber nicht die Wand. Fahren Sie 20 Meter zurück und richten Sie die Instrumente auf die Wand.“
Holger sandte die Befehle zum Mond. Vorsichtig bewegte sich der Rover die gewünschten 20 Meter zurück. Er justierte die Kameras nach oben auf die Wand. Und dann sahen sie es.
Niemand sprach ein Wort. Andächtig bestaunte das ganze Team das Bild, das der Rover übertrug. An der Felswand, in vier Metern Höhe, befand sich eine Platte. Man konnte noch sehen, dass sie ursprünglich eben und glänzend gewesen war. Jetzt war sie schrundig und matt - und strahlte damit ein Alter aus, das jedem im Team eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Die Platte war etwas mehr als einen Quadratmeter groß und hatte an der unteren rechten Ecke eine hässliche Wunde. Teile waren abgesplittert, was offensichtlich durch den Einschlag eines Meteoriten geschehen war. An dieser beschädigten Stelle konnte man sehen, dass sich hinter der Platte etwas verbarg.
Die ersten Mitglieder des Teams erlangten ihre Fassung zurück und dann machte sich die Anspannung der letzten Wochen in einem wahren Freudentaumel Luft. Sogar Dr. Bardouin vergaß seine sonst vorbildliche Beherrschung und nahm zuerst Anne und dann alle anderen aus dem Team in den Arm.
Wenig später gingen die Bilder um die Welt. Der Jubel über die einmalige Entdeckung war groß und jeder wollte den anderen im Lob für das gute Ende der Mondmission übertreffen. Die Suche war zu Ende, aber schnell war klar: Die Welt erlebte überhaupt kein Ende. Die Welt erlebte einen Anfang!
Vor allem, wenn man die Bilder mit der Analyse der Wissenschaftler zusammenbrachte, wurde deutlich: Das Rätsel war nicht kleiner geworden, sondern größer. Viel größer.
Und wer die Menschheit kannte, wusste: Niemals würde sie Ruhe geben - bis dieses Rätsel gelöst war.
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57. Zero-G
Aus dem kleinen Kabinenfenster des Spezial-Airbus „Zero-G“ der ESA beobachtete Anne, wie die Küstenlinie des Mittelmeers langsam hinter ihnen verschwand. Über dem Golf de Gascogne tobte ein Sturm, weshalb der Pilot an diesem Tag einen Kurs in Richtung Süden flog.
Annes Gedanken wanderten drei Sitzreihen nach hinten. Dort saß Olaf neben anderen Kollegen. Mit etwas Wehmut dachte sie an die erste Zeit ihres Kennenlernens zurück. Eigentlich war es ganz schön gewesen.
Warum habe ich bloß immer wieder gebremst? War ich zu besessen von meiner Karriere? Zu sehr auf meine Interessen und Träume fixiert? War es das wert?
Alle Fragen änderten nichts. Die entstandenen Missverständnisse waren nie richtig ausgeräumt worden. Getrieben von wichtigen Ereignissen und Terminen fehlte die Zeit zum Reden. Irgendwann im Lauf der zwei Jahre nach der Entdeckung der Schraube hatte sich ein kollegiales Miteinander eingependelt. Oder sollte sie besser sagen „kollegiales Nebeneinander“?
Zwei Jahre. So viel Zeit ist schon vergangen? Kaum zu glauben.
„Träumst du?“, riss Elena Anne aus ihren Gedanken.
„Ich ...“
„Du brauchst nichts zu sagen. Wenn du diesen Ausdruck im Gesicht hast, denkst du wieder an ihn.“ Elena zeigte mit ihrem Daumen über ihre Schulter nach hinten.
„Hm“, machte Anne nur.
„Ein bisschen Leiden ist ja ganz nett, aber du bist doch kein Archäologe.“
Anne sah Elena fragend an.
„Na, jemand, der nur die alten Knochen der Vergangenheit abstaubt“, erklärte Elena. „Du willst Astronautin werden. Das ist ein Job der Zukunft. Vergiss das nie! Und wer weiß? Vielleicht bekommst du eine zweite Chance.“
Anne wollte erwidern, dass es so etwas nur in romantischen Filmen gab, aber sie kam nicht dazu, denn in diesem Moment ging der Airbus in einen extremen Steigflug über. Die Horizontlinie, die sie durch das Fenster sehen konnte, sackte nach hinten weg. Anne wurde mit dem doppelten ihres Gewichts in den Sitz gepresst. Ihr Magen und alles andere an und in ihr zog mit Gewalt nach unten. Anne wollte den Sitz ihres Gurtes überprüfen, aber sie bekam ihre Arme kaum hoch. Sie fühlten sich an, als ob jemand Gewichte daran gehängt hätte.
Schlagartig erstarb das monotone Brummen der Triebwerke. In die Stille hinein trat ungewohnte Leichtigkeit. Der Airbus schien antriebslos und schwerelos in der Luft zu hängen.
Die gleiche
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