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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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müßte ich es für ehrlos halten, wenn ich mein Glück der Pflicht vorziehen würde. Aber das ist die letzte Trennung! Glaube mir, daß ich sogleich nach dem Krieg, wenn ich noch am Leben bin und von Dir geliebt werde, alles wegwerfe, um zu Dir zu fliehen, um Dich für immer an meine flammende Brust zu drücken!«
    Wirklich war es nur der Krieg, der Nikolai abhielt, zurückzukehren und Sonja zu heiraten. Jetzt aber mußte er beim Regiment bleiben, und da das unabänderlich war, so war Nikolai auch mit dem Leben zufrieden, das er beim Regiment führte, und verstand es, sich das Leben angenehm zu machen.
    Als er vom Urlaub zurückkam, freudig empfangen von den Kameraden, wurde Nikolai auf Remonte ausgeschickt und brachte aus Kleinrußland vortreffliche Pferde mit, wofür er von dem Vorgesetzten belobt wurde. Während seiner Abwesenheit war er zum Rittmeister ernannt worden, und als das Regiment auf Kriegsfuß gesetzt wurde, erhielt er wieder seine frühere Schwadron.
    Der Krieg begann. Das Regiment wurde nach Polen vorgeschoben, die Offiziere erhielten doppelte Gagen, es kamen neue Offiziere, neue Mannschaften und Pferde, und vor allem verbreitete sich jene freudig erregte Stimmung, welche den Anfang eines Feldzugs begleitet, und Rostow gab sich ganz den Vergnügungen und den Interessen des Dienstes hin, obgleich er wußte, daß er sie früher oder später werde aufgeben müssen.
    Die Truppen zogen sich von Wilna zurück zufolge verschiedener komplizierter politischer und taktischer Gründe. Anfangs lebten sie vergnügt bei Wilna und machten Bekanntschaften mit den polnischen Gutsbesitzern, dann kam der Befehl, sich nach Swenziany zurückzuziehen und Proviant zu vernichten, welcher nicht fortgebracht werden konnte. Swenziany blieb den Husaren nur deshalb denkwürdig, weil es »ein besoffenes Lager« war, wie die ganze Armee das Lager bei Swenziany nannte, und deshalb, weil in Swenziany viele Klagen über die Truppen erhoben wurden, welche den Befehl, den Proviant wegzuschaffen, dazu benutzten, auch Pferde, Equipagen, Teppiche unter den Proviant zu rechnen und den polnischen Herren abzunehmen. Rostow konnte mit den ganz betrunkenen Leuten seiner Schwadron kaum zurechtkommen, die ohne sein Wissen fünf Fäßchen alten Wein mitgenommen hatten. Von Swenziany ging der Rückzug nach Drissa, und von Drissa noch immer weiter. Am 13. Juli hatten die Husaren zum erstenmal ein ernsthaftes Gefecht. Am Tage vorher hatte ein heftiger Sturm mit Regen und Hagel getobt; das Jahr 1812 war überhaupt merkwürdig stürmisch.
    Zwei Schwadronen der Husaren lagen im Biwak, inmitten eines von Pferden und Vieh gänzlich zertretenen Roggenfeldes. Der Regen floß in Strömen. Rostow saß mit einem jungen Offizier, Ilin, in einer flüchtig aufgebauten Erdhütte. Ein Offizier des Regiments mit langem Schnurrbart war im Stabe gewesen und kam, vom Regen überfallen, zu Rostow. »Ich komme vom Stabe, haben Sie von Rajewskys Tat gehört?« Und der Offizier erzählte die Einzelheiten des Gefechts von Saltanow, die er beim Stabe gehört hatte.
    Rostow rauchte seine Pfeife und hörte achtlos zu. Ilin war ein junger Mensch von sechzehn Jahren, der kürzlich ins Regiment eingetreten war und jetzt zu Nikolai in demselben Verhältnis stand, wie Nikolai vor sieben Jahren zu Denissow. Ilin bemühte sich, Rostow in allem nachzuahmen und war wie eine Dame verliebt in ihn. Der Offizier mit dem Schnurrbart, Sdrschinsky, erzählte enthusiastisch, der Damm von Saltanow sei die »Thermopylen Rußlands« und auf diesem Damm habe General Rajewsky eine Heldentat, würdig des Altertums, vollbracht. Er habe unter jenem schrecklichen Feuer seine zwei Söhne auf den Damm geführt und sei mit ihnen zugleich zum Angriff vorgegangen. Rostow hörte zu, stimmte aber nicht in den Enthusiasmus Sdrschinskys ein, sondern sah eher wie ein Mensch aus, der sich dessen schämt, was man ihm erzählt. Rostow wußte aus eigener Erfahrung, daß bei Erzählungen kriegerischer Vorgänge immer gelogen wird, wie er selbst auch gelogen hatte, und daß alles andere vorgeht, als man darstellen und erzählen kann. Darum mißfiel ihm die Erzählung und der Erzähler selbst, und Rostow blickte ihn schweigend an.
    »Erstens«, dachte er, »herrschte auf dem Damm wahrscheinlich eine solche Verwirrung und Gedränge, daß, wenn Rajewsky auch seine Söhne dahinführte, das höchstens auf die vordersten zehn Mann in seiner Nähe eine Wirkung haben konnte, die übrigen konnten nicht sehen, wie und mit wem

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