Krieg und Frieden
Schlacht morgen gewonnen wird?«
»Ja, ja«, erwiderte Fürst Andree zerstreut, »wenn ich die Macht hätte, würde ich verbieten, Gefangene zu machen. Wozu das? Die Franzosen haben mein Haus zerstört, wie sie Moskau zerstören werden, und beleidigen mich jeden Augenblick. Sie sind meine Feinde, sie sind Verbrecher nach meinen Begriffen, und so denkt auch Timochin und das ganze Heer. Man muß sie vernichten.«
»Ja, ja«, sagte Peter mit glänzenden Augen, »ich bin ganz Ihrer Ansicht.«
»Keinen Gefangenen!« fuhr Fürst Andree fort, »das würde den ganzen Krieg ändern und ihn weniger grausam machen. Dieses Prahlen mit Großmut und Empfindsamkeit kommt mir vor wie die gefühlvollen Damen, welche in Ohnmacht fallen, wenn sie sehen, wie ein Kalb geschlachtet wird, sie können kein Blut sehen, aber einen Kalbsbraten mit schmackhafter Sauce essen sie mit Appetit! Man spricht von Kriegsrecht, von Ritterlichkeit, von Schonung der Unglücklichen, das ist alles Unsinn! Sie plündern fremde Häuser, fabrizieren falsches Papiergeld, töten meine Kinder, meinen Vater und sprechen von Kriegsgesetzen und Großmut gegen Feinde. Keine Gefangenen! Alle umbringen und selbst in den Tod gehen! Wer dazu gelangt ist, wie ich, durch dieselben Leiden ...«
Fürst Andree, welcher immer gedacht hatte, es sei ihm gleichgültig, ob Moskau eingenommen werde, wurde plötzlich durch einen inneren Krampf unterbrochen, der ihm die Kehle zuschnürte. Er ging einige Male schweigend auf und ab, seine Augen glänzten fieberhaft und seine Lippen zuckten. »Ohne diese Koketterie mit Großmut im Krieg würden wir nur dann in den Krieg ziehen, wenn es wirklich sein muß, und nicht wegen kleinlicher Interessen. Der Krieg ist kein Amüsement, sondern die abscheulichste Sache im Leben, daran muß man denken und nicht mit dem Krieg spielen. Man muß diese schreckliche Notwendigkeit ernst und streng auffassen. Der Krieg ist kein Kinderspiel, der Kriegerstand ist der rühmlichste Stand! Aber was ist der Krieg? Was ist nötig zum Erfolg? Was ist der Charakter des Kriegerstandes? Das Ziel des Krieges ist der Mord, die Waffe des Krieges ist Spionage und Verrat, die Verheerung der Länder, die Plünderung der Einwohner zur Unterhaltung des Heeres, dann Lug und Trug, die man Kriegslist nennt. Der Charakter des Kriegerstandes ist die Abwesenheit aller Freiheit, das heißt, die Disziplin, Müßiggang Grausamkeit, Trunkenheit und ungeachtet dessen ist das der höchste Stand, der von allen verehrt wird. Alle Kaiser, außer dem chinesischen, tragen Uniform, und wer am meisten Menschen tötet, erhält die größte Belohnung. Wie morgen stoßen sie zusammen, um Zehntausende zu ermorden, und dann wird ein Dankgottesdienst gefeiert dafür, daß man viele Menschen erschlagen habe. Wie wird Gott dies Gebet aufnehmen?« rief Fürst Andree mit dünner, kreischender Stimme. »Ach, Freund, in letzter Zeit ist mir das Leben schwer geworden, ich sah, daß ich schon zu viel begriffen habe! Es ist nicht gut für den Menschen, vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen! Nun, auf Wiedersehen!« fügte er hinzu. »Jetzt geh schlafen, und auch für mich ist's Zeit! Reite nach Gorky!« sagte plötzlich Fürst Andree, »vor einer Schlacht muß man ausschlafen.« Er küßte Peter und ging hastig in die Scheune zurück. Einige Zeit blieb Peter schweigend stehen und überlegte, ob er Andree nachfolgen oder nach Hause reiten sollte. »Nein, er braucht mich nicht«, schloß er, »und ich weiß, daß wir uns zum letztenmal gesehen haben.« Mit einem schweren Seufzer kehrte er nach Gorky zurück.
169
Am 25. August, dem Tage vor der Schlacht bei Borodino, kam der Hofmarschall Napoleons, Monsieur de Beausset, und der Oberst Fabvier, im Hauptquartier Napoleons an, der erste aus Paris, der andere aus Madrid. Beausset ließ die von ihm mitgebrachten kaiserlichen Sachen vor sich in das Zelt Napoleons tragen, wo er die Kiste auszupacken begann, während er sich mit dem Adjutanten unterhielt. Fabvier sprach vor dem Zelt mit bekannten Generalen.
Napoleon war noch mit seiner Toilette beschäftigt. Schnaubend bot er den dicken Rücken, bald seine fleischige Brust der Bürste entgegen, mit der der Kammerdiener ihn abrieb. Ein anderer Diener bespritzte mit wichtiger Miene den Kaiser mit kölnischem Wasser. Die kurzen Haare Napoleons waren feucht und zerzaust, aber sein Gesicht, obgleich aufgedunsen und gelb, drückte physisches Vergnügen aus.
»Tüchtig! Tüchtig!« sagte er zu dem
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