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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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vom Landsturm Kutusow und kam Peter zuvor. Das war Dolochow.
    »Wie kommt der Mensch hierher?« fragte Peter.
    »Der Taugenichts drängt sich überall ein«, erwiderte man ihm. »Er ist degradiert worden, kommt aber wieder auf die Oberfläche des Wassers. Er hat verschiedene Projekte eingereicht und ist bis zu den feindlichen Vorposten geschlichen. Man kann ihm nicht abstreiten, daß er Mut hat!« Peter nahm ehrerbietig den Hut vor Kutusow ab.
    »Ich habe mir überlegt«, sagte Dolochow, »wenn ich Eure Durchlaucht benachrichtigen würde, könnten Sie mich wegjagen oder mir sagen, die Sache sei schon bekannt.«
    »Ja ... ja ...« sagte Kutusow.
    »Aber ich sagte mir auch, wenn ich Erfolg habe, so leiste ich dem Vaterland einen Dienst, für das ich bereit bin, mein Leben zu lassen. Wenn Eure Durchlaucht einen Menschen braucht, der seine Haut nicht schont, so bitte ich, an mich zu denken.«
    »Ja, ja«, erwiderte Kutusow, der seinen Blick lachend auf Peter richtete. In demselben Augenblick trat Boris mit der Gewandtheit eines Höflings vor, um sich neben Peter zu stellen, mit dem er anscheinend eine begonnene Unterhaltung fortsetzte.
    »Sie sehen, Graf, die Landstürmer haben weiße Hemden angezogen, um sich auf den Tod vorzubereiten. Ist das nicht Heroismus?«
    Boris hatte augenscheinlich diese Worte nur in der Absicht ausgesprochen, um gehört zu werden. Seine Berechnung war richtig, Kutusow fragte ihn, was er vom Landsturm gesagt habe. Er wiederholte seine Worte.
    »Ja, es ist ein unvergleichliches Volk«, bemerkte Kutusow und schlug die Augen auf. »Unvergleichlich!« murmelte er nochmals. »Sie wollen also Pulver riechen?« fragte er Peter. »Ein angenehmer Geruch! Sicherlich! Ich habe die Ehre, zu den Verehrern Ihrer Frau Gemahlin zu gehören, wie befindet sie sich. Mein Biwak steht zu Ihren Diensten!« Mit greisenhafter Zerstreutheit wandte Kutusow den Kopf zur Seite, als ob er vergessen hätte, was er zu sagen oder zu tun hatte. Dann schien er plötzlich gefunden zu haben, was er suchte, und winkte Andree Kaissarow, den Bruder seines Adjutanten, zu sich.
    »Wie lauten die Gedichte Marins? Sagen Sie sie doch einmal her!« sagte er augenscheinlich in ironischer Stimmung; während Kaissarow sie deklamierte, begleitete sie Kutusow lächelnd mit Kopfnicken.
    Als Peter sich wieder von Kutusow entfernte, näherte sich ihm Dolochow und reichte ihm die Hand entgegen.
    »Sehr erfreut, Sie wiederzusehen, Graf«, sagte er laut und mit besonderer Feierlichkeit. »Am Abend vor dem Tag, welchen zu überleben nicht allen von uns beschieden sein wird, freue ich mich, Gelegenheit zu haben, um Ihnen zu sagen, daß ich unsere früheren Mißverständnisse bedauere und daß ich wünsche, daß Sie keinen Groll gegen mich hätten, und bitte Sie, mir zu verzeihen.«
    Peter blickte Dolochow lächelnd an und wußte nicht, was er sagen sollte. Dolochow umarmte und küßte Peter unter Tränen.
    Boris sprach einiges mit seinem General, dem Grafen Bennigsen, welcher sich darauf an Peter wandte und ihm vorschlug, mit ihm zusammen die Linie entlang zu reiten. Nach einer halben Stunde begab sich Kutusow nach Tatarinowo, und Bennigsen ritt mit seiner Suite, der sich Peter anschloß, die Linie entlang.

166
    Benningsen ritt von Gorky die große Landstraße nach der Brücke hinab. Im Zentrum der Stellung ritten sie über die Brücke in das Dorf Borodino, bogen von dort links ab und ritten an einer großen Anzahl Soldaten und Kanonen vorüber nach einem hohen Hügel, auf welchem die Landsturmleute eine Schanze gruben. Das war die Redoute, welche später Rajewsky-Redoute oder Hügelbatterie genannt wurde. Peter wußte nicht, daß diese Redoute für ihn der denkwürdigste Punkt des ganzen Schlachtfeldes sein werde. Dann ritten sie durch eine Schlucht nach Semenowskoje, wo die Soldaten die letzten Balken der Hütten fortschleppten. Hierauf ritten sie wieder eine Anhöhe hinan, an neuaufgestellter Artillerie vorüber nach einer Befestigung, an welcher noch gegraben wurde. Bennigsen blickte nach der Redoute bei Schewardino hinüber, welche noch gestern unser war. Einige Reiter, welche man dort erblickte, hielten die Offiziere für Napoleon oder Murat. Bennigsen wandte sich an einen auf ihn zukommenden General und begann die ganze Stellung unserer Truppen zu erklären. Peter hörte gespannt auf Bennigsens Worte, mußte aber zu seinem Bedauern bemerken, daß seine geistigen Fähigkeiten ungenügend waren, um diese Erläuterungen der bevorstehenden

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