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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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abzugeben, tat er dies ohne Zögern. In allen seinen Verfügungen in bezug auf die Bauern hatte er niemals den geringsten Zweifel, er wußte, daß sie stets von allen, mit wenigen Ausnahmen, gut geheißen werden.
    Oft sprach er ärgerlich nach irgendeinem Mißerfolg oder einer Unordnung von »unserem russischen Volk« und bildete sich ein, er könne den Bauern nicht ausstehen, aber mit allen Geisteskräften liebte er dieses – »unser russisches Volk« und sein Leben.
    Die Fürstin Marie wurde eifersüchtig auf die Liebe für den Bauern und bedauerte, daß sie nicht daran teilnehmen konnte, aber sie konnte weder die Freude noch den Verdruß begreifen, die ihm aus dieser ihr fremden Welt erwuchsen. Sie konnte nicht begreifen, warum er so glücklich war, wenn er bei der Aussaat oder bei der Ernte vom Felde zurückkehrte, um mit ihr Tee zu trinken, nachdem er den ganzen Morgen seit dem Frührot auf dem Felde zugebracht hatte. Noch weniger konnte sie begreifen, warum er mit seinem guten Herzen und seiner Bereitwilligkeit, allen ihren Wünschen zuvorzukommen, außer sich geraten konnte, wenn sie ihm die Bitten alter Bauernweiber um Befreiung von der Arbeit wiederholte, und warum er, der gute Nikolai, dies hartnäckig verweigerte und sie zornig ersuchte, sich nicht in Dinge zu mischen, die sie nicht verstehe. Sie fühlte, daß er eine besondere Welt hatte, die er leidenschaftlich liebte, mit eigentümlichen Gesetzen, die sie nicht begriff.
    Wenn sie zuweilen von seinen Verdiensten sprach, die er sich erwerbe, indem er seinen Untertanen Gutes erwies, erwiderte er zornig: »Durchaus nicht! Das kommt mir gar nicht in den Sinn! Ich tue gar nichts für ihr Wohl. Diese ganze Poesie ist nur Weibergeschwätz von diesem Wohl des Nächsten. Ich habe für unsere Kinder zu sorgen, ich muß unser Vermögen sichern, solange ich am Leben bin. Das ist alles! Aber dazu ist Ordnung nötig und Strenge! ... Das ist's« sagte er und ballte seine sanguinische Faust. »Und Gerechtigkeit, natürlich!« fügte er hinzu, denn wenn der Bauer bloß und hungrig ist und nur ein Pferdchen hat, so kann er weder für sich noch zu meinem Nutzen etwas ausrichten.«
    Und vielleicht deshalb, weil Nikolai sich den Gedanken daran nicht erlaubte, daß er etwas aus Tugend und Pflichtgefühl für andere tue, trug alles, was er tat, reiche Früchte. Sein Vermögen vergrößerte sich schnell, die benachbarten Bauern kamen zu ihm, um ihn zu bitten, er möchte sie kaufen, und noch lange nach seinem Tode erhielt sich im Volk die Erinnerung an seine Verwaltung.
    »Das war ein Wirt!« sagten die Bauern. »Zuerst der Bauer und dann sein Vorteil! Mit einem Wort – das war ein Herr!«
4
    Was Nikolai zuweilen betrübte, war seine Hitzigkeit im Verein mit seiner alten Husarengewohnheit, seinen Händen freien Willen zu lassen. Anfangs sah er darin nichts Tadelnswertes, aber im zweiten Jahre seiner Ehe änderte sich plötzlich seine Ansicht. Im Sommer wurde einmal der Dorfälteste aus Bogutscharowo, der Nachfolger des verstorbenen Dron, berufen, da er verschiedener Betrügereien und Unpünktlichkeiten angeklagt war. Nikolai ging hinaus auf die Vortreppe, und bei der ersten Antwort des Dorfältesten hörte man Schreien und Schläge. Als Nikolai ins Zimmer trat und nach seiner Gewohnheit alles erzählte, was ihn an diesem Morgen beschäftigt hatte, errötete und erbleichte die Gräfin Marie und ließ schweigend den Kopf hängen.
    »So ein frecher Betrüger!« sagte er zornig. »Hätte er mir gesagt, er sei betrunken, so hätte ich nicht hingesehen ... Aber was ist dir, Marie?« Die unschöne Gräfin Marie verschönerte sich immer, wenn sie weinte. Sie weinte nicht aus Schmerz oder Ärger, sondern nur aus Betrübnis, und wenn sie weinte, so gewannen ihre strahlenden Augen einen unaussprechlichen Reiz. Sobald Nikolai ihre Hand ergriff, brach sie in Tränen aus.
    »Nikolai, ich habe gesehen ... Er mag schuldig sein, aber warum hast du das getan?« Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen. Nikolai schwieg und ging tief errötend im Zimmer auf und ab, konnte ihr aber nicht darin beistimmen, daß das, was er von Kindheit auf als ganz gewöhnlich angesehen hatte, schlecht sei.
    »Ist das Weibergeschwätz oder hat sie recht?« fragte er sich selbst, aber als er ihr betrübtes Gesicht ansah, begriff er sogleich, daß sie recht hatte. »Marie«, sagte er leise, »es wird nicht mehr vorkommen, ich gebe dir mein Ehrenwort! Niemals!« wiederholte er mit zitternder Stimme. »Das wird mich

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