Krieg – Wozu er gut ist
Jahrhundert der Angriffe auf die Ureinwohner. In den 1820er Jahren eroberten weiße Australier Tasmanien und drangen in das Innere ihres Kontinents vor. In den 1830er Jahren zogen südafrikanische Buren auf eigene Faust los, um britischen Regulierungen zu entgehen, und erschossen in der Schlacht am Blood River, in der nur drei weiße Afrikaner verwundet wurden, 3000 Zulus. In den 1840er Jahren zogen Neuseeländer gegen die Maoris in den Krieg. Die Vereinigten Staaten marschierten in Mexiko ein und erreichten den Pazifik, womit sich ihr Territorium endlich von einem Meer zum anderen erstreckte.
Die Ureinwohner befanden sich auf einem großen Rückzug, den allerdings erst die Eisenbahn in eine vernichtende Niederlage verwandelte. In den 1830er Jahren verlegten Amerikaner ein doppelt so großes Schienennetz wie alle europäischen Länder zusammen, in den 1840er Jahren verdoppelten sie es und in den 1850er Jahren verdreifachten sie es noch einmal. Das Eiserne Pferd brachte Millionen Migranten nach Westen und transportierte den Nachschub, den die Armee brauchte, um die amerikanischen Ureinwohner in immer abgelegenere Reservate zu treiben. In den 1880er Jahren beförderten Eisenbahnen Bergarbeiter von Kapstadt nach Transvaal, um dort Gold und Diamanten abzubauen, und russische Siedler und Soldaten nach Samarkand. Eine britische Armee, die 1896 in den Sudan einmarschierte, um einen islamistischen Aufstand niederzuschlagen, baute bei ihrem Vormarsch sogar eine eigene Eisenbahnstrecke, um sich die Versorgung zu sichern.
Die letzte Barriere für die westliche Expansion – Krankheiten – brach zwischen 1880 und 1920 zusammen. Innerhalb einer einzigen Lebensspanne isolierten und besiegten Mediziner die Erreger von Cholera, Typhus, Malaria, Schlafkrankheit und Pest. Nur das Gelbfieber (an dem 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg 13 von 14 Todesopfern starben) hielt sich bis in die 1930er Jahre.
Die Folgen waren in den gesamten Tropen zu spüren, am stärksten jedoch in Afrika. Bis 1870 hatten sich Europäer kaum weiter als einen oder zwei Tagesmärsche von der Küste entfernt, aber um 1890 fuhren Dampfschiffe und Eisenbahnen Tausende Tagesmärsche weit landeinwärts, und die Medizin hielt sie dort am Leben. Jahrhundertelang hatten die Europäer Elfenbein, Gold und alles, was sie haben wollten, nur bekommen können, indem sieGeschäfte mit langen Ketten afrikanischer Stammesoberhäupter machten, die jeweils einen Anteil an den Profiten einstrichen; aber nun konnten sie die Sache selbst in die Hand nehmen.
Die Lösung eines Problems gebar, wie so oft, andere. Chinin und Impfstoffe wirkten bei Franzosen und Belgiern ebenso wie bei Engländern und Amerikanern, mit dem Ergebnis, dass Kaufleute, die Wüsten, Urwälder und feindselige Ureinwohner überwunden hatten, immer wieder feststellen mussten, dass andere Europäer ihnen zuvorgekommen waren. In einer Wiederholung der Ereignisse, die Jahrhunderte zuvor in Amerika und Indien stattgefunden hatten, machten sich die Männer, die vor Ort waren, bei ihren Regierungen dafür stark, große Teile Afrikas zu übernehmen und andere westliche Länder außen vor zu halten.
Zur Annektierung waren oft nur einige Hundert westliche Soldaten nötig. Afrikaner und Asiaten hatten seit den 1750er Jahren einiges dafür getan, bei der Feuerkraft gegenüber den Europäern aufzuholen (nach einer besonders hart umkämpften Schlacht in Indien gestand der britische Kommandeur 1803: »Noch nie in meinem Leben war ich in einer so ernsten Lage oder etwas Ähnlichem, und ich bete zu Gott, dass ich nie wieder in eine solche Situation gerate« 63 ), aber die westliche Feuerkraft wurde einfach immer besser. In den 1850er Jahren kamen Gewehre mit gezogenem Lauf (in dem Längsrillen den Kugeln einen Drall verleihen, der für eine größere Reichweite und Zielgenauigkeit sorgt) allgemein in Gebrauch und zeigten verheerende Wirkung.
Fabriken mit Dampfmaschinen spuckten Gewehre zu Zehntausenden aus, jede perfekt gearbeitet und weit weniger fehleranfällig als vorindustrielle Musketen. Die Amerikaner glänzten besonders bei dieser Massenproduktion. Britische Beobachter staunten 1854, als ein Arbeiter in der Springfield Armory in Massachusetts wahllos zehn Musketen nahm, die die Fabrik in den vorangegangenen zehn Jahren hergestellt hatte, sie zerlegte, die Teile in eine Kiste warf und sie dann wieder zu zehn voll funktionstüchtigen Gewehren zusammensetzte. Umgehend kauften die Briten amerikanische Maschinen und
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