Krieg – Wozu er gut ist
Fasern von Hand ersetzte. Und in der Tat: Eine einzige Maschine ließ sich mit Dutzenden Spindeln bestücken und erledigte die Arbeit schneller als ein Mensch.
Hargreaves hatte die richtige Antwort auf hohe Löhne gefunden: menschliche Arbeit durch Maschinenkraft zu verbessern und so die Produktivität zu erhöhen. Seine Spinning Jenny war ein großer Erfolg (vielleicht ein zu großer, denn Hargreaves konnte seinen Patentschutz nicht durchsetzen). Mit der Spinning Mulevon Crompton kam 1779 zudem eine weit überlegene Maschine auf den Markt, die Baumwolle nicht nur billiger, sondern auch feiner spann, als es alle in Indien hergestellten Garne waren.
All das scheint weit entfernt zu sein von einer Geschichte des Krieges, aber bevor die Zusammenhänge klar werden, müssen wir uns noch weiter vom Schlachtfeld entfernen und uns unter Tage begeben. Im 18. Jahrhundert standen auch die Eigentümer von Kohlebergwerken vor dem Problemhoher Löhne (nach den Maßstäben des 18. Jahrhunderts). Mit steigenden Löhnen bekamen die Briten mehr Kinder. Die wachsende Bevölkerung sah sich veranlasst, Wälder abzuholzen, um mehr Ackerland zu schaffen. Und als das Holz zum Heizen und Kochen knapp wurde, blieb als Ausweg nur die Kohle. All das waren gute Nachrichten für die Grubenarbeiter, die ihren Kohleflözen immer tiefer unter Tage folgten, um immer mehr Kohle zu fördern. Aber um 1700 hatte eine Zeche nach der anderen mit Grundwasser zu kämpfen. Teure Arbeitskräfte zu bezahlen, die das Wasser aus den Gruben schöpften, verursachte ebenso ruinöse Kosten, wie auf teurem Land Hafer für die Pferde anzubauen, die die Eimerketten zogen. Die Lösung, die erstmals 1712 in einem Kohlebergwerk installiert wurde, war ein technisches Wunderwerk: eine Maschine, die teure Muskelkraft durch billige Kohle ersetzte. Sie verbannte Kohle, um Wasser zu erhitzen und mit dem Dampf einen Kolben anzutreiben, der den Bergwerksschacht auspumpte; so ließ sich der Förderertrag immens steigern.
Der Durchbruch kam 1785, als der erste Besitzer einer Baumwollspinnerei seine Spinnmaschinen mit Dampfmaschinen betrieb. Die Produktivität explodierte förmlich. Kostete gesponnene Baumwolle 1786 noch 38 Shilling pro Pfund, so fiel der Preis bis 1807 auf unter sieben Shilling. Aber der Absatz stieg noch schneller. Hatte Großbritannien 1769 noch 2,5 Millionen Pfund Rohbaumwolle importiert, so waren es 1787 bereits 22 Millionen Pfund (und 366 Millionen Pfund 1837). Die Dampfkraft breitete sich von einem Industriezweig zum nächsten aus, als Ingenieure immer neue Anwendungen entwickelten. Die britischen Löhne, die von den 1740er bis zu den 1790er Jahren stetig in dem Maße gesunken waren, wie Smithsche Verbesserungen den Bereich sinkender Rentabilität erreichten, stabilisierten sich zunächst und stiegen ab 1830 sprunghaft. Die industrielle Revolution war da.
Die Dampfkraft ließ die letzten Hürden des europäischen Handels fallen. Jahrhunderte hindurch hatten die riesigen Entfernungen, die Europa von Asien trennten, den Handel des Westens auf dem Niveau eines Rinnsals gehalten, während Afrika und Asien sich dem Zugriff der Kaufleute ganz und gar entzogen. Ingenieure erkannten sofort, dass Dampfmaschinen sich mit Rädern verbinden ließen und dass diese Räder Schiffe über die Meere schaufeln und Züge auf Schienen fahren lassen konnten. Dampf konnte Wind und Wellen im Transport ersetzen, wie er in der Produktion Muskelkraft ersetzt hatte. Dampf konnte Raum schlucken.
Die Briten hatten die Nase weit vorn. »Die Erde war nur vorhanden, damit Dombey und Sohn Geschäfte darin machen konnten«, erklärte Charles Dickens in Dombey und Sohn , seinem großen Roman über Stolz, Vorurteil und Welthandel, »und Sonne und Mond hatten bloß die Bestimmung, für Dombey und Sohn zu leuchten, Flüsse und Meere waren da, um die Schiffe der Firma zu tragen; die Regenbogen versprachen nur ihr schönes Wetter; Sterne und Planeten liefen in ihren Kreisen, um unabänderlich einem System zu folgen, von dem Dombey und Sohn den Mittelpunkt bildete … A. D. lautete in seiner Zeitrechnung nicht als Annus Domini , sondern als Annus Dombei – und Sohn.« 60
Dickens schrieb diese Zeilen 1846 (also Anno Domini). Vor der Entwicklung der Dampfmaschine hätten sie keinen Sinn ergeben. Ein britisches Dampfschiff hatte 1838 den Atlantik in 15 Tagen überquert und ohne Rücksicht auf Gegenwind und Strömungen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von unerhörten zehn Meilen pro Stunde
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