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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Napoleon an die Spitze Frankreichs zurück, zog neue Truppen zusammen und hätte die Briten um ein Haar bei Waterloo geschlagen, bevor man ihn in ein entlegeneres Exil expedierte.
    So kam es, dass Großbritanniens neumodisches zugangsoffenes Handelsimperium die große Herausforderung durch die napoleonische Vermählung von Volkskrieg und Militarismus alter Schule überstand. Als der Korse 1821 starb (unter Mithilfe von englischem Gift, wie manche behaupten), beherrschte Großbritannien weite Teile der Welt wie ein Koloss. Seine Position als Weltpolizist zahlte sich aus: Es kostete zwar Geld, die Seewege mit britischen Kriegsschiffen zu sichern, aber das war es wert, denn zwischen 1781 und 1821 verdreifachten sich die britischen Exporte, und die englischen Arbeiter wurden die wohl produktivsten der Erde.
    Großbritannien war im Begriff, zu einer Nation zu werden, wie die Welt sie noch nie gesehen hatte, zuvor aber würde es ein Problem lösen müssen, dass es auch noch nie zuvor gesehen hatte.
Die Sonne geht nie unter
    Adam Smith hatte erkannt, dass größere, freiere Märkte eine immer stärkere Arbeitsteilung ermöglichen, die Produktivität erhöhen und Gewinne und Löhne in die Höhe treiben. Was aber würde passieren, wenn die Arbeitso weit wie nur eben möglich untergliedert wäre und sich keine Effizienzgewinne mehr herausholen ließen?
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 4.12Die ursprünglichen Guerillas
    Spanische Zivilisten greifen in einem Kleinkrieg ( guerilla ) am 2. Mai 1808 französische Truppen in Madrid an.

    Darüber musste sich Smith nicht lange Gedanken machen, weil das Problem sich zu seiner Zeit nie gestellt hatte. Aber zu der Zeit, als Napoleon starb, hatten seine Nachfolger allerdings sehr über dieser Frage zu grübeln. Zu Smiths Jugendzeiten machten die hohen Löhne britischer Arbeiter manche ihrer Produkte zu teuer für die europäischen Märkte. Die einzige Möglichkeit, wie britische Firmen im Geschäft bleiben konnten, schien darin zu bestehen, den Arbeitern weniger Lohn zu zahlen, und um 1800 verdiente ein Londoner durchschnittlich 15 Prozent weniger als seine Großeltern. Den Krieg hatte Großbritannien gewonnen, doch nun sah es so aus, als würde es den Frieden verlieren.
    Theoretiker vermuteten, es sei ein ehernes volkswirtschaftliches Gesetz, dass Arbeitsteilung, Expansion und die Vormachtstellung als Weltpolizist die Löhne zwar eine Zeitlang durch Innovationen in die Höhe trieben, diese aber letztlich immer wieder an den Rand von Hungerlöhnen zurückfallen würden. Das 19. Jahrhundert, prophezeiten manche, drohe eine Epoche bitteren Elends zu werden. Aber das passierte nicht, weil eine bizarre Verknüpfung von Umständen die unsichtbare Hand und die unsichtbare Faust zwangen, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu finden.
    Die Geschichte beginnt mit der Bekleidung. Jeder braucht etwas anzuziehen, und so bildeten Textilien in allen vormodernen Ökonomien einen großen Wirtschaftssektor. Da Schafe in feuchten, grasreichen Ländern gut gedeihen, hatten die meisten Briten über die Jahrhunderte hinweg Wollsachen getragen. Aber die Eroberung Indiens eröffnete neue Chancen. Die Britische Ostindienkompanie nutzte sie und begann, Ballen preiswerter, bunt gefärbter Baumwollstoffe auf die heimatlichen Inseln zu bringen. Es war ein großer Erfolg. Aber die Wollhändler waren über diese Konkurrenz alles andere als glücklich und schlugen zurück, indem sie das taten, was Smith am meisten verabscheute: Sie machten Druck auf das Parlament, die Einfuhr indischer Baumwolle zu verbieten. Da Baumwolle in Großbritannien nicht wuchs, reagierten Tuchhändler mit dem (immer noch erlaubten) Import von Rohbaumwolle aus den Karibikkolonien, die sie in Großbritannien spinnen und weben ließen. Aber die britischen Arbeiter konnten diese Arbeit nicht so billig (und offen gestanden auch nicht so gut) erledigen wie Inder. In den 1760er Jahren wurden auf jedes Baumwollkleidungsstück dreißig aus Wolle verkauft.
    Der Flaschenhals im Produktionsprozess war das Spinnen, der arbeitsintensive, immer gleiche Vorgang, Baumwollfasern zu kräftigem, gleichmäßigem Garn zu drehen. Dieser Engpass wurde (der Legende nach) 1764 überwunden, als James Hargreaves sein Spinnrad umstieß. Ihm fiel auf, dass es sich noch einige Sekunden drehte, als es schon auf der Seite lag, und da hatte er eine Erscheinung, wie er erzählte: Er würde eine Maschine bauen, die eine Spindel selbsttätig drehte und das mühsame Spinnen der

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