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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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auf dass dieses erfolgreich mit anderen Zellhaufen konkurrieren konnte, um die Energie zu beschaffen, die von allen zusammen benötigt wurde. Das Ganze führte zu einem evolutionären Wettrüsten, das mehrere hundert Millionen Jahre in Anspruch genommen hat. Einige Zellen spezialisierten sich darauf, Licht, Geräusche, Berührung, Geschmack und Geruch wahrzunehmen, und die jeweiligen Sinnesorgane – Augen, Ohren, Haut, Zunge und Nase – ließen dem Organismus Informationen zukommen, die ihm sagten, was er zu tun und wohin er sich zu wenden hatte. Nervenzellfortsätze transportierten diese Information zu einem zentralen Ort – in der Regel am Vorderende des Tiers, wo sich deren Zellkörper zu winzigen Gehirnen zusammengefunden hatten.
    Tiere, die sich ihres eigenen Körpers gewahr waren – merkten, wo sie selbst aufhörten und die übrige Welt begann –, schlugen sich im evolutionären Wettstreit in der Regel besser als solche, die sich ihrer Außengrenze nicht bewusst waren, und diejenigen, die sich ihres eigenen Gewahrseins gewahr wurden, schlugen sich sogar noch besser. Das Gehirn wurde sich des Tiers, in dem es seinen Sitz hatte, bewusst, begann dieses als Individuum zu begreifen, brachte Hoffnungen, Ängste und Träume hervor. Das Tier wurde zum »Ich«, und der Geist hatte seinen Auftritt auf der Weltbühne.
    Dass der blinde, ungerichtete Prozess der Abstammung mit Modifikationen im Verlauf der vergangenen drei Milliarden Jahre aus kohlenstoffhaltigen Tröpfchen Poeten, Politiker und Stanislaw Petrow hat entstehen lassen, mutet schlicht wie ein Wunder an, und es sollte uns kaum überraschen, dass bis zu den Tagen Darwins so ziemlich jeder Mensch, der je gelebt hatte, hinter dem Wunder des Lebens die Hand der Götter oder Gottes am Werk sah. Doch diese erstaunliche Geschichte hat auch eine dunkle Kehrseite.
    Vor ungefähr 400 Millionen Jahren sprossen in den Mäulern gewisser Fische Zähne aus Knorpel, scharf genug und in hinreichend starken Kiefern verankert, das Fleisch anderer Tiere zu erbeuten und zu vertilgen. Diese Urhaie hatten im Wettstreit um die Energieversorgung eine Abkürzung gefunden. Sie konnten die Energie stehlen, die im Körper anderer Tiere eingeschlossen war, indem sie diese fraßen, und wenn sie auf andere Urhaie trafen, die mit ihnen um dasselbe Stück Futter oder denselben Sexualpartner konkurrierten, konnten sie kämpfen. Zähne verliehen dem Konkurrenzkampf eine neue Dimension, und andere Tiere reagierten darauf, indem sie Schuppen und Panzer zu ihrem Schutz, Schnelligkeit zur Flucht und eigene Zähne (oder Stacheln, Giftdrüsen, und – an Land – Klauen und Reißzähne) entwickelten, um sich wehren zu können. Die Gewalt war geboren.
    Das hat die Welt aber nicht zu einem gesetzlosen Ort aus lauter Hauen und Stechen gemacht. Wenn ein Tier auf ein anderes trifft, das zurückschlagen kann, »überlegt« es zweimal, bevor es angreift. Wenn sein Rivale mit Zähnen und Klauen reich bestückt ist, knurrt es vielleicht grollend, zeigt die Zähne, plustert Federn oder Fell auf. Wenn solche Angeberei nicht verfängt und der Gegner nicht davonkriecht, -rennt, -schwimmt oder -fliegt, kommt es vielleicht dazu, dass Geweihe sich verhakeln und Köpfe aufeinanderprallen, bis einer der Kämpfenden einsieht, dass er den Kürzeren ziehen wird, und das Feld räumt. Solche Rauferei aber ist ein riskantes Geschäftund bringt häufig genug schwere Verletzungen mit sich. Daher hat jede Art im Laufe ihrer Evolution Möglichkeiten entwickelt, den eigentlichen Kampf durch subtile Unterwerfungssignale zu vermeiden, etwa durch Katzbuckeln, Kehle, Bauch und Hinterteil präsentieren, ja sogar durch Angst dokumentierendes Urinieren.
    Die Erklärung für dieses Verhalten begründet auch viele der Verhaltensweisen, denen wir in den Kapiteln 1 bis 5 im Zusammenhang mit unserer eigenen Art begegnet sind, aber um die Antworten auf unsere Fragen zu bekommen, müssen wir von der Biologie in die Mathematik wechseln. Stellen Sie sich vor, sagen die Mathematiker, zwei Tiere stoßen zur selben Zeit auf einen Leckerbissen oder einen verfügbaren Partner. Werden sie miteinander darum kämpfen? In diese Entscheidung werden alle möglichen Faktoren mit hineinspielen, und jedes Tier wird ein bisschen anders reagieren. Nehmen Sie meine beiden Hunde. Der eine, Fuzzy, hält jeden anderen für seinen Freund und macht aus jeder Begegnung eine Orgie aus Schwanzwedeln, Beschnüffeln und Belecken. Der andere, Milo, geht davon aus, dass

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