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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Vor 600 Millionen Jahren kooperierten ein paar dieser komplexen Zellen so gut miteinander, dass sie sich zu vielzelligen Wesen mit noch mehr Vorteilen im Wettstreit um die Weitergabe ihrer Gene zusammentaten. Doch erst in den letzten hundert Millionen Jahren haben ein paar dieser Tiere dieKooperation noch weitergetrieben und Gesellschaften, Staaten und Völker aus vielen Individuen gebildet.
    Biologen bezeichnen solche Wesen als soziale Tiere. Sämtliche Vögel und Säugetiere sind zumindest insofern sozial, als sich zwischen Müttern und Jungtieren eine starke Bindung herausbildet. Ein paar Dutzend Arten aber gehen ein gutes Stück weiter. Sie bilden dauerhafte Gemeinschaften aus Dutzenden bis Milliarden Mitgliedern, von denen ein jedes im Rahmen einer übergeordneten Arbeitsteilung seine ganz spezielle Funktion hat. Nur soziallebende Tiere können sich zu Banden zusammenschließen und so etwas tun wie den Mord an Godi.
    Menschen, die klügste Art auf der Erde, sind hochsoziale Wesen. Delphine, Schwertwale und nichtmenschliche Primaten, die sich durch ein gerüttelt Maß an geistigen Fähigkeiten auszeichnen, ebenfalls. Aber bevor wir uns nun zu der voreiligen Schlussfolgerung verleiten lassen, dass der Besitz großer Gehirne soziale Kompetenz hervorbringt, sollten wir daran denken, dass Ameisen – unbestritten mit die sozialsten Tiere von allen – auch zu den dümmsten gehören. Obwohl die Kooperation unter Ameisen solche Ausmaße erreicht, dass Biologen ihre Kolonien als Superorganismen bezeichnen, weil Millionen Insekten wie ein gigantischer Organismus zusammenarbeiten, sprechen Ameisenexperten bei diesen Superorganismen von »instinktgeleiteter Zivilisation« 3 , weil die einzelne Ameise über dermaßen dürftige geistige Qualitäten verfügt, dass das Knäuel aus Nervenzellen in ihrem Kopf noch nicht mal als Gehirn durchgeht (»Ganglion« ist der gängige Begriff).
    Man hat über 11   000 Ameisenarten genau bestimmt und eingeordnet, und noch viele warten darauf, klassifiziert zu werden. Manche dieser Arten sind sehr friedfertig, während andere unablässig kämpfen. So wie sich manche Zellen bei der Entwicklung eines Tieres in Blutzellen verwandeln, während aus anderen Zähne wachsen, werden ein paar weibliche Tiere jeder Kolonie zu fruchtbaren Königinnen, während die übrigen zu sterilen Arbeitern werden. Bei kriegerischen Arten wachsen manche männlichen Wesen auch zu Soldaten heran. Ohne je darüber nachzudenken, was sie tun, führen sie – allein vom Geruch geleitet – grausame Kriege (Abbildung 6.4).
    Da es so viele Arten von Ameisen gibt, gibt es auch viele verschiedene Verhaltensmuster, eines der häufigsten Phänomene aber ist das pheromongesteuerte Ausrücken von Soldatenameisen: Die Soldaten nehmen über ihre Fühler (die in gewisser Hinsicht wie unsere Nase funktionieren) Duftstoffe (Pheromone) wahr, die von den Arbeitern ausgeschüttet werden. Wenn dieseam Morgen ausziehen und nicht zurückkehren, löst das Fehlen ihres Geruchs eine Reaktion aus, die die Soldaten animiert, sich aufzumachen und allem und jedem, was die Arbeiter zurückhält, zuleibe zu rücken. Wenn ungefähr ein Fünftel der Streitmacht ausgerückt ist, reagiert der Rest auf die nun wieder neue chemische Zusammensetzung der Luft im Bau und bildet eine Reservetruppe für den Fall, dass eine andere Ameisenkolonie die Gunst der Stunde zu nutzen versucht, um das unbewehrte Nest zu besetzen.
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 6.4Sechsbeinige Soldaten
    Tansanische Plectroctena-Ameisen im Kampf auf Leben und Tod

    Wenn der Spähtrupp feststellt, dass die vermissten Arbeiter von feindlichen Ameisen getötet worden sind, stößt er nicht etwa blindlings vor, um den Feind anzugreifen. Vielmehr reagieren die Tiere auch hier wieder auf Pheromone in der Luft. Wenn der Geruch ihnen sagt, dass sie dem Feind zahlenmäßig überlegen sind, greifen sie an, umfassen mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen den Hinterleib der feindlichen Angreifer und zwicken diesen mitten durch. Scheinen die Verhältnisse ausgeglichen zu sein, kommt es zum Imponieren mit drohend erhobenen Fühlern, und wenn sie wittern, dass sie in der Unterzahl sind, eilen sie nachhause. Ist die eigene Übermacht sehr groß, stürmt die größere Streitmacht das Nest der anderen, massakriert Königin und Soldaten, versklavt deren Raupen und Brutpfleger und raubt die Nahrungsvorräte.
    Biologen ziehen aus alledem drei allgemeine Schlussfolgerungen. Erstens: Da einige Arten von wenig

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