Krieg – Wozu er gut ist
nichts währt ewig, und mit den Klimaschwankungen der folgenden 500 000 Jahre begann ein großer Binnensee in Ostafrika über seine Ufer zu treten. Das Wasser strömte nach Nordwesten dem Atlantik entgegen und wandelte sich in das, was wir heute als mächtigen kilometerbreiten Strom namens Kongo kennen (Abbildung 6.5). Dieses für alle Affen unüberbrückbare Hindernis teilte das Urschimpansenreich in zwei Teile, und vor etwa 1,3 Millionen Jahren formte die Evolution aus den Menschenaffen nördlich des Kongo Schimpansen, aus denen, die jenseits der südlichen Flussufer lebten, Bonobos.
Die Wälder an den beiden Flussufern unterschieden sich nicht sonderlich voneinander, und Menschenaffen an beiden Standorten ernährten sich vor allem von Früchten, Samen und (so es ihnen gelang, sie zu fangen) von kleineren Affen. Südlich des Kongo aber fingen die Menschenaffen, die sich im Verlauf ihrer Evolution schlussendlich zu Bonobos entwickeln sollten,auch an, junge Blätter und Sprossen zu verzehren. Ihre Körper passten sich dieser Ernährung an, ihnen wuchsen lange Zähne mit langen Scherkanten, mit denen sie ihr Grünzeug zerlegen konnten. Nicht, dass Bonobos Blätter und Schösslinge so wohlschmeckend finden wie Früchte, Samen und Affenfleisch, aber Erstere sind leichter zu finden und halten die Bonobos zwischen den eigentlichen Mahlzeiten gesättigt. Blätter und Sprossen sind, so der Biologe und Anthropologe Richard Wrangham, für Bonobos der kleine Happen zwischendurch. 4
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Abbildung 6.5Planet der Affen
Die Verbreitungsgebiete moderner Schimpansen, Bonobos und Gorillas und größere Fundstätten mit vor- und urmenschlichen Fossilien im Alter von einer bis sechs Millionen Jahren
Warum Bonobos sich mit diesen Zwischenmahlzeiten bei Laune hielten, Schimpansen hingegen nicht, bleibt umstritten. In ihrem Buch Demonic Males mutmaßen Wrangham und sein Koautor Dale Petersen, es könne damit zu tun haben, dass Gorillas – die sich ebenfalls von Blättern und Sprossen ernähren – südlich des Kongo ausgestorben waren, nördlich hingegen nicht. Damit hatte der südliche Zweig der Urschimpansen keine Konkurrenten um diese Nährstoffquelle, und so war jede Genmutation, die einem Vertreter dieser Familie die Verwertung dieser Extranahrung erleichterte, erfolgreich. Die Mutation breitete sich im Genpool aus, und die Urschimpansen im Süden begannen allmählich, sich zu Bonobos zu entwickeln. Nördlich des Flusses hingegen lebten die Urschimpansen weiterhin Seite an Seite mit Gorillas. Und da kein Fünfzig-Kilo-Urschimpanse, der den sprichwörtlichen Zweihundert-Kilo-Gorilla eines Blattes wegen herausforderte, lange genug gelebt hätte, um seine Gene weiterzugeben, haben Schimpansen im Lauf ihrer Evolution keine Vorliebe für diese Nahrung entwickelt.
Andere Primatologen warten mit anderen Erklärungen auf, beispielsweise den minimalen klimatischen Unterschieden auf beiden Seiten des Kongo oder der Menge an brauchbarer Nahrung, die es für Bonobos lohnend gemacht haben könnte, neue Arten von Zähnen zu entwickeln und sich an neue Nahrung zu gewöhnen, für Schimpansen hingegen nicht. Irgendwann, wenn die Methoden noch ausgereifter geworden sind und noch mehr Daten vorliegen, werden die Wissenschaftler diese Frage mit Sicherheit beantworten. Für unsere Zwecke kommt es jedoch weniger auf die Ursachen dieser unterschiedlichen Entwicklung im Ernährungsverhalten an als vielmehr in erster Linie auf die Folgen, denn – so unwahrscheinlich es klingen mag – besagte Zwischenmahlzeiten haben Bonobos den Weg zu Frieden und Liebe einschlagen lassen, während Schimpansen die Straße der Gewalt beschritten.
Weil sie sich mit Blättern und Sprossen sättigen können, wenn Früchte und andere von ihnen bevorzugte Nahrung nicht zu haben ist, können Bonobos in großen stabilen Gruppen wandern (im Regelfalle etwa 16 Tiere). Schimpansen hingegen müssen sich regelmäßig in kleinere Gruppen aus zwei bis acht Tieren aufteilen, weil für eine größere Gruppe das Nahrungsangebot nicht reicht. Godis katastrophale Entscheidung im Jahr 1974, sich allein auf den Weg zu machen, war für einen Schimpansen völlig normal, wäre für einen Bonobo jedoch überaus eigenwillig gewesen. Das bedeutet natürlich, dass Bonobos sich so gut wie nie einer achtfachen Übermacht an Feinden gegenübersehen.
Aber damit nicht genug. Schimpansengruppen teilen sich, wenn sie auf Futtersuche gehen, in charakteristischer Weise auf. Die
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