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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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verwenden, aber vor 2,4 Millionen Jahren waren die Urmenschen der ostafrikanischen Savannen aufgeweckt genug, um zu entdecken, dass sie, indem sie bestimmte Steine gegeneinanderschlugen, messerscharfe Klingen zum Schneiden erzeugen konnten. Verräterische Kerben zeigen, dass sie diese Klingen (Archäologen nennen sie Chopper) als Werkzeuge verwendeten, um das Fleisch von Tierknochen zu schaben. Ob sie sie jedoch auch dazu verwendeten, sich gegenseitig zu bearbeiten, wissen wir bislang nicht.
    Biologen betrachten Gehirne über 620 Kubikzentimeter und die Fähigkeit zur Herstellung von Werkzeugen herkömmlicherweise als Schwelle, ab der Affen zur Gattung Homo wurden (lateinisch für »Mensch«) – der Gattung, der wir als Homo sapiens (»weiser Mensch«) angehören. Es sollte allerdings noch eine weitere halbe Million Jahre dauern, bis die Vertreter der Gattung Homo anfingen, relativ menschlich auszusehen und zu handeln. Vor ungefähr 1,8 Millionen Jahren schnellte innerhalb von ein paar 100   000 Jahren – ein Wimpernschlag in evolutionären Zeiträumen – die durchschnittliche Größe eines Erwachsenen auf mehr als einen Meter fünfzig hoch. Die Knochen wurden leichter, die Kiefer traten weniger hervor, die Nasen dafür umso mehr. Der sexuelle Dimorphismus (der Gestaltunterschied zwischen Männern und Frauen) verringerte sich auf das Spektrum, das wir heute beim modernen Menschen beobachten, und die Urmenschen wechselten endgültig von einem Leben in den Baumwipfeln zu einer bodenständigen Existenz.
    Die Bezeichnung Homo ergaster (»arbeitender Mensch«), die Biologen diesen neuen Kreaturen angedeihen ließen, reflektiert deren Geschick bei der Herstellung von Werkzeugen und Waffen. Manche dieser Artefakte waren bereits recht kunstvoll verziert, sie wurden aus sorgfältig ausgewählten Steinen hergestellt, in die mit Holz- und Knochenhämmern als letzter Schliff feine Muster getrieben wurden. All das setzte gute Koordinationsfähigkeiten und das Vermögen voraus, vorausplanen zu können – also noch größere Gehirne (895 Kubikzentimeter vor 1,7 Millionen Jahren).
    Homo ergaster bezahlte für seinen großen Kopf mit einem seltsamen Pfand: Sein Darm wurde kleiner. Der Rippenkorb der frühen Urmenschen war wie der der modernen Menschenaffen am unteren Rand ein klein wenig ausgestellt und hatte riesenhaften Gedärmen Raum geboten. Die Rippen von Homo ergaster hingegen waren eher wie unsere geformt und boten weniger Platz für meterlange Verdauungsschlingen. Gedärm gegen Gehirn zu tauschen klingt nach einem guten Geschäft, wirft für Anthropologen aber eine große Frage auf. Affen haben solche Riesendärme, um die faserigen Pflanzen verdauen zu können, von denen sie leben. Ein kleinerer Darm würde bedeuten, dass Homo ergaster weniger Energie aus ihrer Nahrung bezog – aber größere Gehirne machen mehr Energie erforderlich. Was also ist passiert?
    Die Antwort, dessen können wir recht sicher sein, lautet, dass Homo ergaster gelernt hatte, Feuer zu machen und diese neue Fertigkeit unter anderemzum Kochen zu verwenden. Kochen macht Nahrung leichter verdaulich: damit werden ein umfangreiches Gedärm und die riesigen Kauflächen der Zähne ebenso überflüssig wie die kräftigen Kiefer, die die frühen Urmenschen benötigt hatten, um rohe Knollen, Wurzeln und Gras zu zermalmen. Und so verschwand all das von der Bildfläche.
    Das Kochen und seine Folgen, so Richard Wrangham in seinem prachtvollen Buch Feuer fangen , war für die Evolution menschlicher Gewalt ein ebenso bedeutender Wendepunkt, wie es die Zwischenmahlzeiten für Bonobos gewesen waren. Jedes Mal, wenn ein Schimpanse ein Äffchen fängt oder eine besonders leckere Brotfrucht findet, so hat Wrangham in seinen vielen Jahren im Regenwald beobachtet, tauchen plötzlich von überall her Männchen auf, und es kommt in vielen Fällen zum Kampf. Sogar die friedfertigen Bonobos können sich an einem leckeren Stück Affengehirn kaum je gütlich tun, ohne von rempelnden Bettlern bedrängt zu werden. Es ist schwer vorstellbar, so Wrangham, wie eine der beiden Affenarten ihre Nahrung kochen sollte, ohne dass sie ihr samt und sonders gestohlen würde. Eine solche Anpassung hätte sich einfach nicht ausgezahlt und folglich nicht in der Population verbreitet. Das zwingt uns, Wrangham zufolge, zu der Schlussfolgerung, dass das Kochen, da es sich bis heute erhalten hat, bei einer einschneidenden Richtungsänderung der Evolution Teil eines Gesamtpakets gewesen sein muss,

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