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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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kennen wir nur ein Skelett, das mehr als eine Million Jahre alt ist und Spuren tödlicher Gewaltanwendung aufweist, und selbst bei diesem ist nicht sicher, ob es sich tatsächlich um ein Tötungsdelikt gehandelt hat. Erst bei Funden aus den letzten 500   000 Jahren, aus denen uns deutlich mehr Skelette zur Verfügung stehen, finden wir auch eindeutig tödliche Verletzungen.
    In Anbetracht der Ähnlichkeiten zwischen der Aggressivität von Schimpansen und modernen Menschen können wir indes ein paar einigermaßen gesicherte Spekulationen wagen. In beiden Populationen ist Gewalt vor allem die Domäne der jungen Männer, die meist größer, muskulöser und leichter erregbar sind als Frauen und ältere Geschlechtsgenossen. Es gibt das Sprichwort, dass mit einem Hammer in der Hand alles wie ein Nagel aussieht, und für junge muskelbepackte, vor Testosteron strotzende Schimpansenmännchen und junge Männer unserer eigenen Art sehen viele Probleme so aus, als ließen sie sich mit Gewalt lösen. Primatologen berichten uns, dass bei Schimpansen neunzig Prozent aller gewalttätigen Übergriffe von jungen Männchen begangen werden, und die polizeilichen Statistiken zeigen beim Menschen etwas ganz Ähnliches. Junge Männer sind für alles zu kämpfen bereit, aber Sex und Ansehen sind die Hauptmotive, materielle Güter kommen mit einigem Abstand an dritter Stelle. Und wie wir gesehen haben, sind sie am ehesten bereit zu morden, wenn sie sich zu Gangs zusammentun und ihren Feinden zahlenmäßig überlegen sind.
    Die Evolutionsbiologen können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beweisen, dass Menschen und Schimpansen den Hang zu todbringender Bandenkriminalität vom Urschimpansen geerbt haben, aber es wäre die nächstliegende Schlussfolgerung. Wenn dem so wäre, sollten wir vermutlich auch zu dem Schluss kommen, dass die vor etwa 1,8 Millionen Jahren entstandene Paarbindung das Kämpfen als Strategie bei der Suche nach einer Partnerin gegenüber dem Werben an Attraktivität hat verlieren lassen, während es bei der Auseinandersetzung mit rivalisierenden Urmenschengemeinschaften nichts von seinem Wert einbüßte. Bonobos hingegen begannen in ihrer Evolution vor 1,3 Millionen Jahren eine völlig andere Richtung einzuschlagen, hier beschnitt die weibliche Solidarität den Lohn für männliche Gewalt insgesamt. (Möglicherweise hat die Paarbindung bei Urmenschen bonoboähnlicher Solidarität innerhalb des weiblichen Geschlechts entgegengewirkt.)
    Wenn den Archäologen erst einmal mehr Skelette zur Verfügung stehen, werden die Details dieses Prozesses klarer zutage treten, aber einer Sache können wir uns bereits jetzt sicher sein: Die neue evolutionär stabile Strategie des Urmenschen war ein Riesenerfolg. Die Gattung Homo schritt unaufhaltsam voran und vermehrte sich wie kein Hominide je zuvor. Im Verlauf von 10   000 Jahren breiteten sich unsere Vorfahren über einen Großteil von Afrika aus, und nach weiteren 10   000 Jahren waren sie so weit gekommen, dass sie sich im heutigen England und Indonesien ansiedeln konnten (das erste Skelett, an dem sich Spuren von Gewaltanwendung nachweisen lassen, stammt in der Tat aus Java). Sie gelangten in Umgebungen, die sich von der ostafrikanischen Savanne ungeheuer unterschieden, und wie vorherzusehen kam es auch jetzt wieder zu einer Fülle von Mutationen. Beinahe jedes Jahr bringt gegenwärtig eine neue Verlautbarung von Archäologen oder Genetikern, die in Asien oder Europa auf wieder eine neue Urmenschenart gestoßen sind.
    Vor einer halben Million Jahre verfügte eine dieser Urmenschvarianten – nach ihrem ursprünglichen Fundort in Deutschland als Homo heidelbergensis bezeichnet – bereits über ein Gehirn, das genauso groß war wie unseres, und im Verlauf der nächsten paar 100   000 Jahre entwickelten die (ebenfalls nach ihrem Fundort in Deutschland benannten) Neandertaler Gehirne, die sogar noch um einiges größer waren (wenn auch flacher und mit einigen weniger gut entwickelten Arealen, als dies bei uns heute der Fall ist). Eine der beiden Arten hat möglicherweise auf eine Weise kommuniziert, die wir heute als Sprache bezeichnen würden, und mit Sicherheit haben beide neue Jagd- und Tötungsmethoden ersonnen: Sie verwendeten Harz und die Sehnen anderer Tiere, um Pfeilspitzen aus Stein auf hölzernen Lanzen zu befestigen.
    Archäologen haben genügend Neandertalerskelette gefunden, um sagen zu können, dass diese sehr, sehr gewalttätig waren. Zumindest zwei der gefundenen

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