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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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dass jahrhundertealte strategische Überlegungen über Nacht bedeutungslos geworden sind. Wie Großbritannien suchen auch verschiedene osteuropäische Regierungen ihren Ängsten vor einer von Deutschland dominierten Europäischen Union dadurch entgegenzuwirken, dass sie sich stärker dem amerikanischen Weltpolizisten zuwenden. Das Paradoxon der Macht aber will es nun einmal, dass den Vereinigten Staaten nicht daran gelegen sein kann, dass sich ihre Verbündeten zu weit von der Europäischen Union entfernen, weil dies die Ruhe stören würde, die Amerika braucht, wenn es seine Arbeit machen soll.
    Westeuropa ist nicht über das Spiel des Todes hinausgewachsen. Es hat das Spiel vielmehr höchst versiert gespielt und die Prämien eingeheimst, die den Tauben winken, solange es einen Weltpolizisten gibt, der die Falken bestraft. Genauso sind die Vereinigten Staaten nicht zu einer Schurkennation geworden. Auch sie haben das Spiel versiert gespielt, heimsen die Belohnungen europäischer Friedfertigkeit ein, um ihre Position als Globocop aufrechtzuerhalten. Die Europäische Union hat den Friedensnobelpreis 2012 mehr als verdient, doch als das Nobelpreis-Komitee den von 2009 an Präsident Obama vergab, hätte es besser daran getan, ihn sämtlichen amerikanischen Präsidenten seit 1945 zuzuerkennen. Sie alle zusammen haben Europas Experiment möglich gemacht.
Amerikas Burenkrieg
    Wenn Westeuropa die Region ist, in der die Vereinigten Staaten es am wirksamsten vermocht haben, das Hochkommen eines Rivalen zu verhindern, so hat Vorderasien Anspruch darauf, die Region zu sein, in der ihnen das vielleicht am wenigsten gelungen ist. Drei Kriege haben die Vereinigten Staaten dort geführt, seit die Mauer in Berlin gefallen ist (sogar vier, wenn man die Luftangriffe auf Libyen von 2012 mitzählt), und wenn es vor dem Ende des Jahrzehnts einen vierten (beziehungsweise fünften) vermeiden kann, hat es Glück gehabt. In dieser Region sind die Ähnlichkeiten zwischen den Problemen, vor denen der neue Weltpolizist steht, und denen, an denen der alte gescheitert ist, besonders frappierend.
    Das gilt sogar angesichts der Tatsache, dass die strategische Bedeutung Vorderasiens sich in den vergangenen hundert Jahren bis zur Unkenntlichkeit gewandelt hat. Zu Mackinders Zeiten waren das Osmanische Reich und Persien für den Weltpolizisten von größter Bedeutung, weil sie seinen Kommunikationsweg nach Indien – den Suezkanal – säumten (Abbildung 7.2). Vom Kaukasus bis an den Hindukusch versuchten britische und russische Forschungsreisende und Spione einander über Jahrzehnte immer wieder gegenseitig auszutricksen, wofür Kipling die Bezeichnung »das Große Spiel«popularisierte. Russische Armeen schluckten die Regionen, die wir heute als die »-stans« Zentralasiens kennen, britische Rotröcke übernahmen Afghanistan, konnten es aber nicht auf Dauer halten.
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 7.2: Das neue Große Spiel von Algerien bis Afghanistan

    Der Gegenstand, der das Große Spiel in die Version verwandelte, die wir heute spielen, war das Öl. Jahrzehntelang nach der weltweit ersten kommerziellen Bohrung in Titusville, Pennsylvania, im Jahr 1859 waren die Vereinigten Staaten unangefochtenes Zentrum der Ölförderung, im Jahr 1871 aber begannen die ersten Bohrungen in Vorderasien, und russische Pioniere stießen im aserbaidschanischen Baku ebenfalls auf das schwarze Gold. Westliche Investoren folgten, ein britischer Spekulant kaufte 1901 die Rechte auf zwei Drittel der in Persien geförderten Menge, und Standard Oil of California eröffnete 1938 das erste Ölfeld in Saudi-Arabien. In den 1960er Jahren boomte die Ölförderung zur Befriedigung der Nachfrage aus Amerika, Europa und Japan, und Mitte der 1970er Jahre spülte das Öl täglich mehr als 400 Millionen Dollar Devisen an die Ufer des Persischen Golfs.
    Westliche Zeitungen quollen über von Geschichten über arabische Millionäre, die historische Stätten aufkauften, aber bei Licht betrachtet, war die Gefahr, dass Amerika wegen des Ölbooms im Nahen und Mittleren Osten ein vorderasiatischer Rivale erwachsen würde, ziemlich gering. Angesichts ihrerwinzigen Mittelschicht, restriktiver Bildungssysteme und wild wuchernder Korruption waren nicht einmal die reichsten ölproduzierenden Länder der 1960er Jahre auch nur ansatzweise in der Position, ihre eigene industrielle Revolution anzustoßen oder vielseitige moderne Ökonomien zu schaffen.
    Aus diesem Grund hat das Geld aus dem Öl anders

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