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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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als die amerikanische Hilfe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg keine großen Bürgerschaften gestärkt. Es landete vielmehr in den Händen exklusiver kleiner Eliten, die durch Repressionen, Unehrlichkeit und Inkompetenz für zunehmende Unruhe sorgten. Die Vereinigten Staaten, ängstlich darauf bedacht, ihre Ölquellen sowjetischen Begehrlichkeiten vorzuenthalten, landeten plötzlich in der Situation, Diktatoren, Militärjunten und absolutistisch agierende Monarchen zu unterstützen. Kritiker warfen ihnen mit schöner Regelmäßigkeit vor, sie unterhielten mittlerweile dieselbe Art eines nichtlegitimierten Reiches, mit dessen Hilfe die Europäer im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Nahen Osten beherrscht hatten.
    Manche Öloligarchen versuchten, die allgemeine Unzufriedenheit in ihren Völkern in Nationalismus und Hass auf Israel zu lenken, aber Mullahs und Ajatollahs waren um einiges erfolgreicher, was das Ummünzen von Wut im Dienste des islamischen Fundamentalismus (und natürlich auch des Hasses auf Israel) anbelangt. Nur wenige Islamisten betrachteten zunächst die Vereinigten Staaten als ihren Hauptfeind, und selbst während der iranischen Geiselaffäre hofften manche Amerikaner noch immer, mit religiösen Fanatikern in einen freundschaftlichen Dialog eintreten zu können (so unwahrscheinlich es uns heute vorkommen mag: das Time -Magazin kürte Ajatollah Khomeini 1979 zum Mann des Jahres). Aber die Revolutionäre entdeckten rasch, dass es keine Möglichkeit gab, die amerikanischen Marionetten zu attackieren, ohne Amerika selbst anzugreifen, und noch vor Jahresende 1979 hatte der Iran die Vereinigten Staaten zum Satan höchstpersönlich ernannt.
    Als der Globocop sich anschickte, diesem wütenden neuen Islam zu begegnen, kam es zu ungewollten Konsequenzen. Fernab von den Ölfeldern am Persischen Golf erwies sich die amerikanische Hilfe als entscheidende Rückenstärkung für den afghanischen Widerstand gegen die sowjetische Besatzung in den 1980er Jahren. Doch statt neuen Wohlwollens brachte diese Hilfe lediglich eine trefflich bewaffnete und kampferprobte Legion arabischer Dschihadisten hervor. Diese Männer waren bereit, auf der Stelle in einen heiligen Krieg gegen wen auch immer zu ziehen, nutzten das Chaos,das der Kampf gegen den Kommunismus hinterlassen hatte, und machten Afghanistan zu einem sicheren Hafen für Islamisten.
    Aber es sollte noch schlimmer kommen. Tief im Herzen der vorderasiatischen Ölregion entsandten die Vereinigten Staaten überstürzt ihre Truppen an den Golf, um die saudischen Ölquellen nach Saddam Husseins Einmarsch in Kuwait zu schützen. In Anbetracht dessen, dass der irakische Diktator die 1980er Jahre damit zugebracht hatte, Krieg gegen den revolutionsgeschüttelten Iran zu führen, die Islamisten im eigenen Land brutal unterdrückt und obendrein den Versuch unternommen hatte, Kernwaffen zu entwickeln, hätte Washingtons Entscheidung arabische Herzen und Gemüter gewinnen sollen. Aber die Anwesenheit der Ungläubigen auf Arabiens heiligem Boden machte viele Muslime misstrauisch gegenüber den amerikanischen Motiven.
    Der Golfkrieg von 1991 und die anschließend verhängten Sanktionen hinderten den Irak zwar daran, zu einem vorderasiatischen Rivalen des Kalibers zu werden, den die Verfasser des Verteidigungsleitfadens gefürchtet hatten. Aber im Verlauf des folgenden Jahrzehnts wurden die amerikanischen Strategen (und so gut wie jedermann sonst) von den Entwicklungen innerhalb des radikalen Islam völlig unvorbereitet getroffen. Alle Kräfte, die die muslimische Welt erschütterten – das Geld aus dem Öl, der wachsende Widerstand gegen die arabischen Herrscher, Afghanistans Dschihad, der Zorn auf die Amerikaner in Saudi-Arabien, die nicht enden wollende Feindseligkeit Israel gegenüber –, kamen in einem Mann zusammen: Osama bin Laden. In einem offenen Brief schrieb er im Jahr 2002 an die Amerikaner:

    »Unter Ihren Augen greifen uns Regierungen [muslimischer] Staaten, die sich als Ihre Handlanger gebärden, jeden Tag aufs Neue an. … Aufgrund Ihres internationalen Einflusses und Ihrer militärischen Stärke stehlen Sie uns unseren Wohlstand und unser Öl zu erbärmlichen Preisen. Dieser Diebstahl ist in der Tat der größte Diebstahl, den die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte erlebt hat. … Ihre Streitkräfte besetzen unsere Länder, Sie errichten überall Militärbasen, Sie zerstören unser Land, Sie stürmen unsere Heiligtümer, um die Sicherheit der Juden zu

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