Krieg – Wozu er gut ist
Zuversicht, »von Damaskus bis Teheran die Botschaft zu verbreiten, dass Freiheit die Zukunft jeder Nation sein kann. Ein freier Irak im Herzen des Nahen Ostens wird ein Wendepunkt der weltweiten demokratischen Revolution.« 10
Wohl scheint der Sturz etlicher Autokraten in Tunesien, Libyen, Ägypten und dem Jemen seit 2011 dieser Strategie ein Stück weit recht zu geben, aber, wie Bush selbst erkannte, ist »Modernisierung nicht dasselbe wie Verwestlichung. Regierungen im Nahen Osten werden dessen eigene Kultur widerspiegeln.« Von ihren autoritären Regimen befreit haben die Wähler der arabischen Welt mit großer Beständigkeit Islamisten an die Spitze geholt, doch da ich dies schreibe, ist noch nicht klar, wie die Dinge sich weiterentwickeln werden. In Ägypten hat das Militär 2011 einen Diktator seinem Schicksal überantwortet, aber zwei Jahre später half es einen gewählten islamistischen Präsidenten stürzen. In Libyen haben sich während des Bürgerkriegs, derGaddafis Regime hinwegfegte, islamistische Extremisten etabliert und mit Waffen, die sie seinen Streitkräften entwendet hatten, den Dschihad nach Mali getragen. In Syrien stehen die Dinge noch schlimmer: Genau wie Somalia und der Libanon zuvor ist das Land im Begriff, in einen Tummelplatz der Warlords zu zerfallen, von denen einige nicht weniger gewalttätig sind als al-Qaida. Alles in allem sieht die Welt, die sich nach dem arabischen Frühling zu formieren beginnt, ein Stück weit demokratisch aus, ist aber ausgesprochen instabil. Sie wird in weiten Teilen islamistisch regiert, ist großenteils arm, misstrauisch Amerika und noch misstrauischer Israel gegenüber. Es ist schwer zu sagen, wem von beiden – bin Laden oder Bush – sie weniger gefiele.
Der zweite Teil des al-Qaida-Plans – die Vereinigten Staaten in so viele ruinöse Kriege hineinzuziehen, dass sie die riesige islamische innere Zone verlassen würden – hatte einen guten Start. Bin Laden hatte richtig berechnet, dass er mit einem so schweren Schlag wie dem von 2001 den Vereinigten Staaten keine andere Wahl ließ, als in Afghanistan einzumarschieren, um ihm den Garaus zu machen. Das bürdete Amerika den längsten Krieg aller Zeiten auf, und wenn auch die Entscheidung George W. Bushs, die Invasion des Iraks zum Teil einer Strategie gegen den Terrorismus zu machen, kaum als direkte Reaktion auf den 11. September aufzufassen ist, so bildete der Marsch auf Bagdad doch genau die Art von Überreaktion, auf die bin Laden gehofft hatte.
Womit er allerdings katastrophal falsch lag, war die Annahme, dass die Vereinigten Staaten sich entweder in den Bankrott treiben lassen oder aus Vorderasien zurückziehen würden. Sie blieben vielmehr bei der Stange, brachten ihn selber um und schafften es mehr oder weniger, »al-Qaida zu destabilisieren, zu demontieren und zu demütigen«, wie Barack Obama das Ziel definiert hatte. 11 Der Preis hierfür war jedoch, dass sie in ein weiteres Sammelsurium an Problemen hineingezogen wurden, das denen, mit denen der britische Weltpolizist ein Jahrhundert zuvor zu ringen gehabt hatte, in verblüffender Weise ähnelte.
Der Krieg, in den die Vereinigten Staaten gerieten, war in bemerkenswert vielen Aspekten eine Art Wiederauflage des Burenkriegs, den Großbritannien zwischen 1899 und 1902 gegen das südafrikanische Transvaal und den Oranjefreistaat geführt hatte. Beide, Burenkrieg und Irakkrieg, waren Präventivkriege, mit denen potentieller künftiger Aggression zuvorgekommen werden sollte. Sowohl 1899 als auch 2003 gaben die Kritiker diesesUnterfangens einer unheiligen Allianz aus eigennützigen, von der Gier nach natürlichen Ressourcen – Gold und Diamanten in Südafrika, Öl im Irak – getriebenen Politikern und Geschäftsleuten die Schuld an dem Krieg. Die Politiker selbst aber, die die beiden Globocops in diese Kriege führten, sahen sich zumeist absolut nicht als Materialisten, sondern als Humanisten, die für die Unterdrückten (Kurden und Schiiten im Irakkrieg, die schwarze Bevölkerung Südafrikas im Burenkrieg) in den Kampf zogen. Unabhängig davon aber, welche Deutung der Wahrheit am nächsten kommt, mussten beide, Großbritannien und die Vereinigten Staaten, feststellen, dass ihre Entscheidung zugunsten des Einsatzes von Gewalt in der Heimat auf ein geteiltes Echo stieß und alte Verbündete gegen sie aufbrachte.
Am stärksten unterschieden sich Burenkrieg und Irakkrieg in Bezug auf ihre Eröffnungsphase. Im Jahr 2003 konnten die Vereinigten
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