Krieg – Wozu er gut ist
kreisen zu lassen. Hochleistungskameras (die etwa einViertel der Kosten für einen MQ-1 Predator ausmachen) zeichnen jede Bewegung auf und senden die Bilder über eine Reihe von Satelliten und Relaisstationen zum Luftwaffenstützpunkt Creech Airforce Base in Nevada. Dort sitzen Zweipersonenteams rund um die Uhr in engen, aber kühlen und bequemen Containern vor mattleuchtenden Bildschirmen und beobachten die »Lebensmuster« des Verdächtigen (ich hatte 2013 Gelegenheit, mir das vor Ort anzuschauen *41 ). 45
Einen Großteil der Zeit führen die Missionen zu gar nichts. Der Verdächtige erweist sich als ganz gewöhnlicher afghanischer Bürger, fälschlicherweise angeschwärzt von einem übelwollenden oder übereifrigen Nachbarn. Wenn die Kameras jedoch tatsächlich verdächtiges Verhalten aufzeichnen, werden Bodenkräfte entsandt, um den Betreffenden festzunehmen. Meist geschieht das mitten in der Nacht, um das Risiko für einen Schusswechsel so gering wie möglich zu halten. Wenn aufgeschreckte Rebellen – vom Dröhnen der Hubschrauber oder Geländewagen geweckt – davonschleichen oder -laufen, »beleuchtet« eine Drohne sie für das bloße Auge unsichtbar mit Infrarotlasern, die es den mit Nachtsichtgeräten ausgestatteten Trupps ermöglichen, den Betreffenden jederzeit festzunehmen. Allein die Möglichkeit, ins Visier einer Drohne geraten zu können, bereitet den Dschihadisten Sorge. Am besten sei es, so heißt es in einem Informationsblatt für malische Rebellen 2012, jeden drahtlosen Kontakt komplett zu meiden und »sich nicht an öffentlichen Orten zusammenzufinden«.
Drohnen sind in Afghanistan zu Augen und Ohren der Rebellenbekämpfung geworden, in einem Prozent aller Fälle auch zu ihren Zähnen. *42 Die Luftwaffenkommandos sind an strikte Einsatzgrundsätze gebunden, aber wenn ein Verdächtiger eine eindeutig feindselige Handlung begeht – beispielsweise ein Geschütz auf einen Laster montiert –, kann der Pilot weit weg in Nevada einen Knopf an seinem Joystick betätigen und den Betreffenden mit einer präzisionsgesteuerten Rakete töten.
Drohnen sind mehr oder weniger die Spitze eines Keils, den die Robotik in die konventionelle menschenzentrierte Form des Kämpfens treibt. Sein Vordringen erfolgt nicht ganz so rasch, wie manche Leute erwartet haben (im Jahr 2003 spekulierte ein Report des United States Joint Forces Command, dass »der gemeinsame Kampfverband … zwischen 2015 und 2025 auf taktischer Ebene großenteils mit Robotern ausgerüstet sein wird«), aber auch nicht so langsam, wie manche Pessimisten befürchtet haben. 46 »Es steht zu bezweifeln, dass Computer je intelligent genug sein werden, das Kämpfen ganz zu übernehmen«, führte der Historiker Max Boot 2006 aus, was ihn zu der Prognose veranlasste, dass »Maschinen [lediglich] dazu da sein werden, die Arbeit zu erledigen, die zu langweilig, zu schmutzig oder zu gefährlich ist.« 47
Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo in der Mitte liegen, wobei sich der Trend der letzten vierzig Jahre, besonders temporeiche und technisch komplexe Arten von kriegerischer Auseinandersetzung von Maschinen erledigen zu lassen, in den kommenden vierzig verstärken wird. Gegenwärtig können Drohnen nur operieren, wenn bemannte Flugzeuge zuvor die Luftherrschaft erobert haben, weil Roboter wehrlose Beute sind, wenn ein technisch ebenbürtiger Gegner den Himmel mit Kampfjets, Boden-Luft-Raketen oder Störsendern unsicher macht. Eine Drohne über Afghanistan von einem Container in Nevada aus zu steuern ist eine seltsam befremdliche körperliche Erfahrung (ich durfte es ein paar Minuten lang an einem Simulator auf dem Luftwaffenstützpunkt ausprobieren), weil die Verzögerung zwischen den Bewegungen Ihrer Hand am Joystick und der Reaktion des Fluggeräts bis zu anderthalb Sekunden betragen kann, in denen das Signal über verschiedene Satellitenfunkverbindungen und Relaisstationen um die Welt rast. Bessere Kommunikationstechnologien oder Piloten am Schauplatz des Geschehens könnten die Verzögerung verkürzen, aber die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit bedeutet, dass sie nie ganz verschwinden wird. In der Top-Gun-Welt der Überschallluftkämpfe kommt es auf Millisekunden an, und ein ferngesteuertes Flugzeug wird nie gegen ein bemanntes konkurrenzfähig sein.
Die Lösung, so empfiehlt eine Studie der amerikanischen Luftwaffe, könnte darin bestehen, Menschen das Flugzeug nicht mehr von irgendeinem fernen Punkt aus ferngesteuert fliegen zu lassen (im
Weitere Kostenlose Bücher