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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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ob dies ähnliche oder gar schlimmere Folgen haben wird, als sie die Jahre nach 1910 gesehen haben, gehen auseinander. In der ausführlichsten (oder, je nach Geschmack, auch spekulativsten) Diskussion hat der Strategieprognostiker George Friedman den Standpunkt vertreten, dass bis zum Jahr 2050 extrem raffinierte intelligente Systeme das Kriegsgeschehen vom All aus beherrschen werden. Er erwartet, dass die amerikanische Macht sich an einer Kette von großen Raumstationen festmachen wird, die – ähnlich, wie unsere Flugzeugträger von Zerstörern und Fregatten bewacht werden – von Dutzenden kleinerer Satelliten umgeben und geschützt werden. Diese erdumkreisenden Flotten werden die Erde unter ihren Aufzeichnungsgeräten überwachen – hin und wieder durch das Abfeuern von Raketen, meist aber einzig und allein durch das Sammeln und Analysieren von Daten, die Koordination von Schwärmen aus automatischen Überschallmaschinen und die Lenkung von Bodeneinsätzen, in denen, so Friedman, »die entscheidende Waffe dieses Krieges … der gepanzerte Infanteriesoldat [ist] – ein Soldat in einem motorisierten Panzeranzug, der erhebliche Lasten bewegen kann, den Soldaten schützt und seine rasche Fortbewegung ermöglicht. Es handelt sich um einen hocheffektiven Ein-Mann-Panzer, der mit verschiedenen Waffensystemen ausgestattet ist, Vorräte transportiert und mit Hochleistungsbatterien betrieben wird.« 51
    Der Schwerpunkt – wie Clausewitz es nannte – der Kampfhandlungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts wird auf Cybergefechten und kinetischen Attacken zur Ausschaltung der Raumflotten liegen, gefolgt von Angriffen auf die Kraftwerke, die die Riesenmengen an Energie produzieren, die die Roboter benötigen. »Für die Kriege des 21. Jahrhunderts ist der elektrische Strom so wichtig wie das Benzin für die Kriege des 20. Jahrhunderts«, mutmaßt Friedman. Er prophezeit einen »Weltkrieg im wahrsten Sinne des Wortes, doch dank der technologischen Fortschritte hinsichtlich Präzision und Geschwindigkeit ist es kein totaler Krieg, in dem sich ganze Gesellschaften gegenseitig vernichten.«
    Was Friedman damit meint, ist, dass Zivilisten zu Zuschauern werden, die ängstlich verfolgen, wie durch Robotik optimierte Krieger die Dinge unter sich regeln. Sobald eine Seite den Roboterkrieg verliert, wird ihre Position hoffnungslos, ihr bleiben nur Kapitulation oder Tod. Der Krieg ist damit zu Ende. Statt der Milliarden Toten wie zu Petrows Zeiten oder den sechzig bis siebzig Millionen in Hitlers Tagen werden es, schätzt Friedman,eher um die 50   000 sein – nur unwesentlich mehr, als auf den Straßen der Vereinigten Staaten jährlich bei Autounfällen ums Leben kommen.
    Ich würde diesem einigermaßen optimistischen Szenario gerne Glauben schenken – wer nicht –, aber die Lektionen aus den vergangenen zehn Jahrtausenden bewaffneter Auseinandersetzungen machen es mir schwer. Als ich die militärtheoretische These von der Revolution in militärischen Angelegenheiten in Kapitel 2 zum ersten Mal vorgestellt habe, habe ich behauptet, dass sich im Laufe der Geschichte im Wesentlichen nichts Neues getan hat. Vor fast 4   000 Jahren hatten Soldaten in Vorderasien den Menschenkrieger bereits aufgerüstet, indem sie diesem Pferde an die Seite gaben. Diese künstlich optimierten Krieger (Wagenlenker) walzten weniger gut ausgerüstete Fußsoldaten buchstäblich über den Haufen – mit ganz ähnlichen Folgen, wie Friedman sie vorhersieht. Sobald um 1600 v.   Chr. eine Seite ein Wagenduell verloren hatte, sahen sich Fußsoldaten und Zivilbevölkerung in einer aussichtslosen Lage. Kapitulation oder Tod, eine andere Wahl hatten sie nicht.
    In Indien wurden im 1. Jahrtausend neue Arten von Aufrüstung erdacht, Menschen auf Elefanten begannen die Schlachtfelder zu dominieren, und in den Steppengebieten dieser Zeit, in denen es Pferde gab, fingen die Menschen an, sich Kavallerien zuzulegen. Wenn es zum Gefecht kam, waren Fußsoldaten und Soldaten in beiden Fällen dazu verdammt abzuwarten, bis die Dickhäuter oder Reiter dieses ausgefochten hatten, und auf das Beste zu hoffen.
    Aber an diesem Punkt enden die Ähnlichkeiten mit Friedmans Szenario. Streitwagen, Elefanten und Kavallerie führten keine Präzisionsschläge, mit denen die gegnerischen Streitwagen, Elefanten und Kavallerie ausgeschaltet wurde, um dann mit dem Kämpfen aufzuhören. Schlachten mündeten nicht in kühle Abwägungen und eine fair ausgehandelte Kapitulation einer

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