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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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finanziellem Druck ausgesetzt sehen, aber ungeachtet dessen immer noch in der Lage sein, seine Rolle auszufüllen. Infolgedessen sieht er, »obschon Großmächte in Konflikte geraten könnten, … keine … Spannungen oder bilateralen Konflikte einen großformatigen Flächenbrand entzünden«. 44 Hinzu kommt, dass der potentielle Verlust an Menschenleben bei Konfrontationen zwischen den Großmächten gegenwärtig im Abnehmen begriffen ist. Es gibt auf der Weltnicht mehr genügend Gefechtsköpfe, um uns alle umzubringen. Ein totaler Atomkrieg um die Mitte des gegenwärtigen Jahrzehnts könnte fünfzig bis hundert Millionen Menschen das Leben kosten – das entspricht in etwa derselben furchtbaren Opferzahl, die der Zweite Weltkrieg gefordert hat, ist aber sehr viel weniger als die Milliarde, deren Leben in Petrows Augenblick der Wahrheit am seidenen Faden hing. Und im weiteren Verlauf des Jahrzehnts wird sich das Gefahrenpotential vermutlich weiter verringern. Alle Großmächte (mit Ausnahme Chinas) planen einen weiteren nuklearen Abbau, und die Vereinigten Staaten haben 2013 jede Möglichkeit einer raschen Wiederbewaffnung ausgeschlossen, indem sie ihre Plutoniumproduktion in Los Alamos aus Geldmangel vorerst gestoppt haben.
    Die Gefechtsköpfe sind nicht nur weniger geworden, sondern auch kleiner. Die Atombombe ist ein siebzig Jahre altes Stück Technik, entworfen in einem Zeitalter, in dem Sprengkörper, die aus einem Flugzeugrumpf geworfen wurden, mit viel Glück im Umkreis von einem Kilometer rund um das angepeilte Ziel landeten. Das Trefferproblem wurde durch Riesenexplosionen von mehreren Megatonnen Sprengstoff gelöst, die ganze Städte dem Erdboden gleichmachen können, aber heutzutage, da präzisionsgesteuerte Munition ihre Opfer mit Treffergenauigkeiten von unter einem Meter erreichen kann, wirken diese riesigen und kostspieligen Wasserstoffbomben wie die Lösung für ein Problem, das es längst nicht mehr gibt. Treffsichere, kleindimensionierte nukleare Gefechtsköpfe – oder auch »intelligente« konventionelle Bomben – haben sie großenteils verdrängt.
    Noch bemerkenswerter ist, dass die Computer, die solche intelligenten Bomben möglich gemacht haben, uns auch die Konstruktion funktionierender Abwehrsysteme erlauben. Es bleibt noch eine Menge zu tun, aber in 16 Tests seit 1999 hat das bodengestützte Flugabwehrraketensystem der Vereinigten Staaten die Hälfte aller Interkontinentalflugkörper getroffen, die in seine Richtung abgefeuert wurden. Das mobile Raketenabwehrsystem der Israelis (von den Strategen »Eiserne Kuppel« getauft) traf im November 2012 noch weit besser und holte neunzig Prozent der langsameren Kurzstreckenraketen vom Himmel, die aus dem Gazastreifen abgefeuert worden waren (Abbildung 7.5).
    In den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten wird die Automatisierung des Krieges noch um einiges weiter gehen, und – zumindest anfänglich – wird alles dazu angetan sein, den Krieg weniger blutig zu machen. Als die Sowjetunion in den 1980er Jahren versuchte, afghanische Aufständische unterKontrolle zu bekommen, beschossen sie deren Dörfer und überzogen sie mit Flächenbombardements, die Zehntausende töteten. Die Vereinigten Staaten hingegen haben ihre eigenen Maßnahmen bei der Bekämpfung von Aufständischen in diesem Land seit 2002 mehr und mehr ferngesteuerten Luftfahrzeugen überlassen. Solche Drohnen, wie man sie zumeist nennt *40 , sind genau wie präzisionsgesteuerte Raketen kostengünstiger als die Alternativen (26 Millionen Dollar für einen hochmodernen MQ-9 Reaper gegenüber geschätzten 235 Millionen für ein F-35-Kampfflugzeug) und töten weniger Menschen. Die Opferzahlen nach Drohnenangriffen in Pakistan und Afghanistan sind Spielball politischer Interessen und schwanken zwischen wenigen hundert und etlichen tausend, aber selbst die höchsten Zahlen fallen sehr viel moderater aus als das Blutbad, das jede andere Methode, dieselben Ziele anzugreifen (der Einsatz von Spezialkommandos oder konventionelle Luftangriffe zum Beispiel), zur Folge hätte.
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 7.5Eiserne Kuppel
    Israelische Flugabwehrrakete über Tel Aviv am 17. November 2012

    Bis zum Jahr 2011 hatten die Drohnen der Airforce eine Million aktiver Flugstunden abgeleistet und allein in jenem Jahr 2000 Einsätze geflogen. Im Regelfalle besteht ein Einsatz darin, die Drohnen ungesehen und ungehört für bis zu drei Wochen in drei Kilometern Höhe über dem verdächtigen Objekt in der Luft

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