Krieg – Wozu er gut ist
Krieg für nichts, aber auch gar nichts gut sei. Politikwissenschaftler sind zumeist weniger idealistisch veranlagt, aber viele von ihnen vertreten dennoch den Standpunkt, dass eine bewusste Entscheidung (dieses Mal eine für demokratischere und inklusivere Institutionen) uns von hier nach dort bringen werde.
Die jahrtausendelange Historie, der ich in diesem Buch nachgegangen bin, zeigt jedoch in eine völlig andere Richtung. Wir töten, weil die erbarmungslose Logik des Todesspiels dies belohnt. Nicht die Entscheidungen, die wir treffen, beeinflussen das Belohnungssystem des Spiels, vielmehr beeinflusst der Spielausgang unsere Entscheidungen. Deshalb können wir nicht einfach beschließen, mit dem Kriegführen aufzuhören.
Auf lange Sicht betrachtet suggeriert die Geschichte jedoch eine zweite, optimistischere Schlussfolgerung. Wir sind nicht in einem Rote-Königin-Rennen gefangen, nicht dazu verdammt, die selbstzerstörerische Tragödie vergangener Globocops und ihrer selbstgeschaffenen Rivalen zu wiederholen, bis wir die gesamte Zivilisation ein für allemal zerstört haben. Das ganze Gerenne, das wir die vergangenen 10 000 Jahre hindurch betrieben haben, hat uns keineswegs am selben Platz gehalten, sondernunsere Gesellschaften und das Punktesystem des Spiels verändert. Und in den nächsten paar Jahrzehnten, so will es scheinen, werden sich die Prämien in diesem Spiel so sehr ändern, dass sich das Spiel des Todes zu etwas völlig Neuem wandeln wird: Wir sind im Begriff, das Endspiel des Todes zu spielen.
Um zu erklären, was ich mit dieser einigermaßen kryptischen Formulierung meine, möchte ich die Schrecken des Krieges für einen Augenblick beiseitelassen und auf einige Argumente aus meinen beiden jüngsten Büchern – Wer regiert die Welt? und The Measure of Civilization – zurückkommen. Wie am Ende von Kapitel 2 erwähnt habe ich in diesen beiden Arbeiten eine Art Index der gesellschaftlichen Entwicklung vorgestellt, der bemisst, wie erfolgreich unterschiedliche Gesellschaften es in den vergangenen 15 000 Jahren seit der letzten Eiszeit fertiggebracht haben, von der Welt das zu bekommen, was sie haben wollten. Der Index bewertet gesellschaftliche Entwicklungen anhand einer Punkteskala von null bis tausend, wobei letzteres der höchstmöglichen Punktezahl unter den Bedingungen des Jahres 2000 n. Chr., in dem der Index endet, entspricht.
Mit diesem Index bewaffnet habe ich dann – halb im Spaß, halb im Ernst – gefragt, was passieren würde, wenn wir die Punktezahlen in die Zukunft projizieren. Wie bei jeder Prognose hängen die Ergebnisse davon ab, was für Annahmen wir treffen, also habe ich einen betont konservativen Ausgangspunkt gewählt und gefragt, wie die Zukunft sich gestalten wird, wenn die Entwicklung im 21. Jahrhundert im selben Schrittmaß weitergeht wie im 20. Sogar bei einer so vorsichtigen Vorgabe war das Ergebnis erstaunlich: Bis zum Jahr 2100 wird der Entwicklungsstand bei 5000 Indexpunkten liegen. Um von einem Höhlenmenschen in Lascaux, der seine Wände mit Büffeln zierte, bis zu Ihnen, der oder die Sie dieses Buch lesen, zu gelangen, hat die Entwicklung 900 Punkte zulegen müssen, bis zum Jahr 2100 wird sie einen Anstieg um weitere 4000 Indexpunkte erleben.
Unfassbar ist vermutlich der treffendste Ausdruck für diese Prognose – und das ist sie für unser gegenwärtiges Gehirn tatsächlich. Doch einer der Hauptaspekte dieser explosionsartigen Entwicklung ist der Umstand, dass sich unser Gehirn im kommenden Jahrhundert ebenfalls verändern wird. Die digitale Revolution wird nicht nur den Krieg umkrempeln. Sie wird alles umkrempeln, auch die Tiere der Gattung Mensch. Die biologische Evolution hat uns Gehirne gegeben, die leistungsfähig genug waren, eine kulturelle Evolution anzustoßen, aber die kulturelle Evolution ist nun an einem Punktangekommen, da die Maschinen, die wir bauen, anfangen, in unsere biologische Evolution einzugreifen – mit Folgen, die aus dem Spiel des Todes ein Endspiel des Todes machen, und letzteres hat das Potential, Gewalt bedeutungslos werden zu lassen.
Für die Zukunft des Krieges lässt sich kaum etwas Wichtigeres denken, aber in Gesprächen mit Technikern und Sicherheitsexperten ist mir in den vergangenen paar Jahren eine alarmierende Distanz aufgefallen (der oben erwähnte National Intelligence Council bildet hier eine rühmliche Ausnahme). Alles in allem haben die Technologen den Hang, die Sicherheitsanalysten als Dinosaurier abzutun,
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