Krieg – Wozu er gut ist
Geschichte uns so deutlich vor Augen führt. Wir sind kläglich gescheitert mit unserem Wunsch, den Krieg aus unserem Dasein herauszuhalten, aber das ist ein Wunsch, dessen Erfüllung bislang schlicht unmöglich ist. Wir haben es jedoch höchst erfolgreich fertigbekommen, auf die veränderten Anreize im Spiel des Todes zu reagieren. Die meiste Zeit unseres Lebens auf Erden hindurch waren wir aggressive, gewalttätige Tiere, weil Aggression und Gewalt sich ausgezahlt haben. In den vergangenen 10 000 Jahren aber, seit wir gelernt haben, produktive Kriege zu führen, haben wir eine kulturelle Evolution durchlebt, die uns peu à peu weniger gewalttätig gemacht hat – weil sich nun das auszahlte. Und seit Kernwaffen Teil unseres Lebens geworden sind – seit 1945 –, sind unsere Reaktionen blitzschnell geworden.
Stellen Sie sich einen Augenblick lang vor, ich hätte dieses Buch vor fünfzig Jahren geschrieben und es 1963 veröffentlicht – knapp zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer, ein Jahr nach der Kubakrise, ein Jahr vor Chinas erstem Atomwaffentest und knapp zwei Jahre vor dem Eintritt Amerikas in den Vietnamkrieg. Stellen Sie sich weiter vor, ich hätte darin prophezeit, dass die Menschheit in ihrer Einstellung zum Lohn von Gewalt nunmehr so weit sei, dass die Sowjetunion binnen 25 Jahren der Gewalt abschwören, die Berliner Mauer niederreißen und sich auflösen werde, all das ohne einen Schuss – erst recht keine Atombomben – auf die NATO-Mitglieder abzufeuern. Selbst wenn ich darauf verzichtet hätte hinzuzufügen, dass China sich dem Kapitalismus zuwenden werde, glaube ich nicht, dass die Rezensenten besonders gnädig mit mir umgegangen wären. Aber ich hätte recht gehabt Und heute, zurück in der Zukunft, gibt mir dieselbe Argumentation Anlass zu glauben, dass wir das Endspiel des Todes genauso versiert spielen werden, wie wir das Spiel davor gespielt haben.
Was wir zu tun haben, ist, genau wie Clausewitz gesagt hat, einfach, aber schwierig. Es wird Zeiten und Situationen geben, in denen die Vereinigten Staaten Gewalt anwenden müssen, um Stabilität zu garantieren. Sie müssen genügend für ihre Streitkräfte ausgeben, um als Globocop agieren zu können, aber auch nicht so viel, dass daran der politische Konsens zerbricht. Sie müssen ihr finanzielles Haus in Ordnung bringen, für stabiles wirtschaftliches Wachstum sorgen, in Grundlagenwissenschaften investieren und bei alledem die ganze Zeit über ihre Verbündeten bei der Stange halten. Und, schwieriger als alles andere womöglich: Sie müssen es schaffen, führende Politiker von derselben Qualität amtieren zu lassen, wie sie sie im Kalten Krieg an der Spitze hatten. Je rascher sich der technologische Wandel vollzieht, desto leichter sollte es werden, Recht und Ordnung weltweit aufrechtzuerhalten, bis die Pax Americana einer Pax Technologica Platz macht, aberselbst im schlimmsten Szenario nach Smalleys Gesetz müssen die Vereinigten Staaten bereit sein, zur Durchführung ihres Jobs jeden Preis zu zahlen, jede Last zu tragen und jede Härte zu erdulden, denn es gibt keinen Plan B.
Das Endspiel des Todes, genau wie das Spiel des Todes zuvor, hat viele Spieler, und die Entscheidungen, die andere Nationen treffen, werden seinen Ausgang massiv beeinflussen. In den Jahren vor 1914 legte Kaiser Wilhelm, überzeugt davon, dass dies für sein Überleben nötig sei, eine alarmierende Risikobereitschaft an den Tag, die ein Gutteil dazu beigetragen hat, die internationale Ordnung zu destabilisieren, während in den Vereinigten Staaten – der anderen großen aufstrebenden Macht jener Zeit – Präsident Roosevelts Motto, sanft zu sprechen, aber einen großen Knüppel bei sich zu führen, den Weltpolizisten in falscher Sicherheit wiegte. Hundert Jahre später, da sich China, Indien und andere neue Mächte eigene Knüppel zugelegt haben, wird ihre politische Führung zwischen Roosevelt und Wilhelm als Rollenvorbild wählen müssen. Je stärker sie Roosevelt zuneigen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Welt das Endspiel des Todes gewinnen wird.
Unser Schicksal steht auf Messers Schneide. Der Weg zum Erfolg führt nicht über den Idealismus solcher Lieder wie War! , sondern über die Lehren aus unserer langen Geschichte. Und auch wenn nichts dafür garantieren kann, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen, so wird uns das doch eher gelingen, wenn wir verstehen, wozu Krieg gut gewesen ist und warum sich das gerade ändert. Es ist an der Zeit,
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