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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Hälfte der Neugeborenen starb innerhalb eines Jahres, wenige Erwachsene schafften es über die fünfzig hinaus, und selbst wenn Menschen sich bei bester Gesundheit sahen – oder was damals als solche galt –, beherbergten ihre Körper mehr Keime als eine moderne Notaufnahme.
    Die Geografie hatte diese Krankheitspools voneinander getrennt gehalten, was sich jedoch mit dem Erfolg des produktiven Kriegs zu ändern begann. Mit dem Anwachsen der Imperien nahm auch, besonders in den Steppengebieten, die Bewegung von Migranten zwischen den einzelnen Reichen zu. Mobilität sorgte für die Fusion von bis dahin getrennten Krankheitspools und begünstigte die Entwicklung eines tückischen epidemiologischen Cocktails von nie gekannter Art. Nicht viele Menschen hatten das Glück, mit den passenden Antikörpern geboren zu werden; und bevor sich deren robuste Gene über den ganzen Pool der Überlebenden ausbreiten konnten (was Jahrhunderte dauerte), stellten sich die Erreger der Seuchen immer wieder ein.
    Die besten einschlägigen Berichte liegen uns aus Ägypten vor, wo die Zahl der Bevölkerung zwischen 165 und 200 n.   Chr. um ein Viertel sank. Andernorts müssen wir für unsere Schlüsse archäologische Funde heranziehen, die aber die Vermutung nahelegen, dass Ägypten mit seiner Erfahrung nicht alleine stand. Durch den Bevölkerungsschwund hatten die Imperien ihre liebe Mühe, genügend Soldaten für ihre Armeen aufzubringen – zu schweigen von den Steuern, um sie zu bezahlen. Das wiederum machte es schwieriger, die Dominosteine entlang der Grenzen zu den Steppengebieten vor dem Fallen zu bewahren; und schließlich mussten die Herrscher im Römischen wie im Han-Reich zusehen, wie ihre Grenzen zusammenbrachen und große Völkerwanderungen für eine noch schnellere Verbreitung der Krankheiten sorgten.
    Und damit nicht genug nahm in eben diesen Jahren auch noch das Tempo der klimatischen Veränderungen zu. Von den Eiskernen der Pole bis zu den Torfmooren Polens sehen Klimatologen Zeichen dafür, dass die Welt kälter und trockener wurde. Diese weltweite Abkühlung verkürzte die Vegetationsperioden, was den Bauern geringere Erträge bescherte und in Eurasien immer mehr Klimaflüchtlinge aufbrechen ließ.
    Unter dem Druck von Völkerwanderungen, Krankheiten und sinkenden Erträgen begannen sich die komplexen Netze von Handel und Steuern aufzulösen, die in Jahrhunderten produktiven Krieges entstanden waren. Als in China die Steuereinnahmen sanken und die Kosten für die Verteidigung der Grenzen weiter stiegen, regten einige Staatsbeamte des 2. Jahrhunderts n.   Chr. an, es wäre doch das Gescheiteste, die Truppen einfach nicht mehr zu bezahlen. Immerhin, so ihre Logik, seien die Westgrenzen, wo Qiang-Rebellen und -Invasoren so viel Schaden anrichteten, weit weg von der Hauptstadt Luoyang; was konnte schon passieren, wenn der Staat die Armee einfach sich selbst überließ?
    Nun, eine ganze Menge: Soldaten wurden zu Banditen und plünderten die Bauern aus, die sie eigentlich verteidigen sollten, und die Generäle wurden zu Warlords, die nur den Befehlen gehorchten, die ihnen passten. »Die Stärksten und Tapfersten des Reichs«, so schrieb der Beamte Gong Ye, »sind der Schrecken des gemeinen Volkes.« 17
    168 n.   Chr., als allenthalben Seuchen wüteten und die Armee in Auflösung begriffen war, putschten Palasteunuchen gegen den gerade mal zwölf Jahre alten Kaiser und seine Clique von Freunden und angeheirateter Verwandtschaft, in deren Händen die Staatspolitik lag. Damit war das Desaster perfekt. Die Regierungsgewalt brach völlig zusammen: Die Beamten brachten einander in aufeinanderfolgenden Säuberungswellen zu Tausenden um. Gesetz und Ordnung begannen ebenfalls zusammenzubrechen; während der 70er und 80er Jahre des 1. Jahrhunderts n.   Chr. forderten Aufstände ungezählte Menschenleben. 189 n.   Chr. marschierte der schrecklichste aller Kriegsherren an der Westgrenze gegen Luoyang, setzte die Stadt in Brand und entführte den jüngsten Knabenkaiser (der gerade mal acht Jahre alt war).
    Während der folgenden dreißig Jahre plünderte ein starker Mann nach dem anderen, immer unter dem Vorwand, wieder für Ordnung zu sorgen, das Han-Reich, bis es schließlich 220 n.   Chr. in drei verfeindete Reiche zerfiel. Die Grenzen lösten sich auf, Hunderttausende von Qiang und zentralasiatischen Nomaden wanderten in Chinas Norden ein, während Millionen von Volkschinesen aus Chinas Norden in den Süden flohen. Die Beamten

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