Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
Vom Netzwerk:
nach Hanoi geschickt sah. Ein des Englischen mächtiger nordvietnamesischer Oberst namens Tu holte ihn am Flughafen ab, und es überrascht nicht weiter, dass die beiden bald auf die Verstimmungen zwischen ihren Ländern zu sprechen kamen.
    »Sie wissen«, sagte Summers zu Tu, »dass Sie uns im Feld nie besiegt haben.«
    Tu überlegte einen Augenblick. »Das mag schon sein«, sagte er schließlich, »aber es spielt auch keine Rolle.« 12
    Wie die Amerikaner in Vietnam konnte ein römisches Heer um 160 n.   Chr. für gewöhnlich davon ausgehen, ihren Gegner in einer regelrechten Schlacht zu besiegen *25 , und wie die Nordvietnamesen setzten dieGermanen entsprechend alles daran, solchen Begegnungen die Bedeutung zu nehmen. Die Folge davon war, dass Roms stolze Legionen sich auf Taktiken reduziert sahen, die uns nur allzu gut aus Vietnam bekannt sind. Mit erschreckender Ehrlichkeit stellt das Reliefband der Säule, die man 180 n.   Chr. zu Mark Aurels Ehren in Rom errichtete, sowohl Szenen von Römern, die Dörfer brandschatzten, Tiere stahlen und Gefangene töteten, als auch reguläre Kampfszenen zwischen Bewaffneten dar (Abbildung 3.6).
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 3.6Das Dorf zerstören, um es zu retten
    Römische Soldaten brennen Hütten nieder (oben links) und zerren Frauen und Kinder mit sich. Detail auf der Mark-Aurel-Säule auf der Piazza Colonna in Rom.

    Als hätte das noch nicht genügt, erwiesen auch die Feldschlachten sich für die Römer selten als das, was sie erwartet hatten. Als etwa römische Truppen das erste Mal auf Kavallerie der Jazygen stießen, erwartete sie eine unangenehme Überraschung. In einer klassischen Nomadentaktik täuschten die Jazygen eine Flucht vor und lockten so eine Legion auf die zugefrorene Donau. Während die Verfolger auf dem Eis herumrutschten, kehrte die Reiterei um, umstellte die Römer und griff an.
    Nur ihre Disziplin rettete sie. »Doch die Römer ließen sich dadurch nicht schrecken«, schrieb der Geschichtsschreiber Cassius Dio,

    »sondern schlossen sich enger zusammen und boten ihnen allen die Stirn. Sie warfen ihre Schilde zu Boden, traten, um weniger auszugleiten, mit dem einen Fuße darauf und erwarteten so den Angriff ihrer Gegner. Die Einen griffen nach den Zügeln, die Andern nach Schilden und den Lanzen derselben und zogen sie an sich her. Dadurch handgemein geworden, warfen sie Ross und Mann zu Boden. Gegen solches Ungestüm konnten sie sich des Fallens nicht mehr erwehren. Zwar glitten auch die Römer aus; wenn aber Einer rücklings niederfiel, so zog er seinen Gegner mit zu Boden, schlug ihm, wie beim Ringen, die Füße auf den Rücken und kam so über ihn zu liegen. Fielen sie vorwärts, so griffen sie den vorher zu Boden Gestürzten mit den Zähnen. Denn die Feinde, welche an eine solche Kampfart nicht gewohnt und leichter bewaffnet waren, konnten ihnen nicht die Spitze bieten und, so zahlreich sie auch waren, kamen nur Wenige davon.« 13
    An diesem Tag schlug die römische Infanterie die gegnerische Kavallerie, aber im Verlauf der folgenden hundert Jahre verlegten sich immer mehr Germanen auf den Krieg zu Pferde, während immer mehr Sarmaten (und andere Nomaden) Gebiete unmittelbar an den Grenzen überfielen. Weiteren Kummer machte Rom 224 n.   Chr. der Aufstieg einer energischen neuen Dynastie auf dem persischen Thron; sie begann auf der Stelle Tausende von Kataphrakten ins Feld zu schicken – besonders schwere Kavallerie, bei der Reiter wie Pferd in Kettenpanzer und Stahl gehüllt waren. »Alle Truppen aber waren eisengepanzert«, schrieb ein Augenzeuge im 4. Jahrhundert, »und an sämtlichen Körperteilen dicht mit Platten belegt, so dass sich die starrenden Verbindungen den Gelenken der einzelnen Glieder anpassten. Auch die Gesichtsformen fügten sich so eng ans Haupt, dass auftreffende Geschosse – der Mann war ja ganz in Metall gehüllt – nur dort zu haften vermochten, wo man durch kleine, dem Kreis der Augen angepasste Öffnungen spärlich genug sehen oder durch die Nasenschlitze mühsam atmen konnte.« 14
    Unter Historikern herrscht eine verbittert geführte Debatte über den genauen Zeitpunkt, an dem die Römer den offensichtlichen Schluss zogen, dass sie selbst mehr Kavallerie brauchten. Tatsache ist, dass Rom zwischen 200 und 400 n.   Chr. denselben Weg einschlug wie zuvor Persien, China und Indien. Das Verhältnis von Reitern in den römischen Armeen stieg von eins zu zehn auf eins zu drei, ja sogar eins zu zwei, und spätestens 500

Weitere Kostenlose Bücher