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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Zerfalls von Riesenreichen war. Vielmehr waren die nächsten zwölf Jahrhunderte (zwischen 200 n.   Chr. und ungefähr 1400 n.   Chr.) geprägt von Zyklen aus produktiven und kontraproduktiven Kriegen. Wie wir in Kapitel 1 und 2 erfahren haben, waren die Jahrtausende bis 200 n.   Chr. ein Zeitalter expandierender Leviathane, steigenden Wohlstands und fallender Mord- und Totschlagsraten. Und wie wir Kapitel 4 bis 7 sehen werden, trifft dies auf die Jahrhunderte nach 1400 nur umso mehr zu. Das lange Mittelalter aber, das diese beiden Phasen voneinander trennt, bildet ein komplexes, chaotisches und gewalttätiges Zwischenspiel.
    Ende des 3. Jahrhunderts sah es eine Zeitlang ganz so aus, als könnten die Sassaniden sogar einen Trend zu einer Neubelebung des Imperiums einleiten. Nach einem halben Jahrhundert Anarchie gewann Rom die Kontrolle über den gesamten Mittelmeerraum zurück; die Westliche Jin-Dynastie sorgte 280 für die Wiedervereinigung Chinas zu einem einzigen Reich; und 320 schließlich leiteten die Gupta den gleichen Prozess in Indien ein. Zu diesem Zeitpunkt jedoch brach diese Erholungsphase in anderen Teilen Eurasiens bereits wieder ein. Die Xiongnu-Nomaden fielen in China ein und setzten die uralten Städte in Brand, exekutierten eine Reihe von Kaisern der Westlichen Jin und massakrierten Millionen von Flüchtlingen. Es folgten sechzig Jahre erbitterte Kämpfe, bis es 383 so aussah, als könnte eine neue Dynastie China einmal mehr vereinen. Deren Armee jedoch löste sich, geheimnisvollerweise, nach einer kleineren Niederlage von Panik ergriffen auf, worauf Ostasien in einer weiteren Runde Gemetzel versank.
    Auch Rom rutschte Ende des 4. Jahrhunderts zurück ins Chaos. Die Goten vernichteten die Feldarmeen des Imperiums 378 bei Adrianopel, worauf ein Auflösungsprozess der Grenzen begann. Die Westmigration der Hunnen(der schrecklichsten aller Nomadenstämme des Altertums) stieß eine weitere Reihe von Dominosteinen um, und am Neujahrsabend 406 strömten Tausende von Germanen über den zugefrorenen Rhein. Westeuropa geriete in eine Abwärtsspirale von Gewalt und Chaos, und 476, gerade mal siebzig Jahre nach dem Versagen der Rheinlinie, verkündete ein Gotenkönig das Ableben der westlichen Hälfte des Römischen Reichs.
    Nachdem ein anderer Zweig der Hunnen seine Armeen ausgelöscht und den König getötet hatte, sah es 484 ganz so aus, als würde Persien unter den Sassaniden den gleichen Weg gehen. Aber die Sassaniden hielten zäh an ihrer Macht fest, und dann bewegte sich um diese Zeit auch China wieder auf die Einheit zu. Im 5. Jahrhundert sorgte eine weitere Dynastie für die Wiedervereinigung der Region um den Gelben Fluss (Huang He), und 589 wurde China unter der Sui-Dynastie wieder zu einem einzigen Staat.
    Vorübergehend sah es ganz so aus, als würde sich auch der Mittelmeerraum wieder auf die Einheit zubewegen. In den 20er Jahren des 6. Jahrhunderts eroberte Justinian als Herrscher des Byzantinischen Reiches – wie man den übriggebliebenen östlichen Teil des ehemaligen Römischen Imperiums auch oft nennt – Italien, Teile Spaniens und Nordafrikas zurück. Spätestens 550 jedoch kam die Expansion zum Stillstand, und in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts drängten erneute Invasionen die Byzantiner wieder zurück. Indien hatte nicht weniger große Probleme: Nach 467 begann das Gupta-Reich unter den Angriffen eines wieder anderen Hunnen-Zweigs zu zerfallen, und trotz eines großes Siegs über die Nomaden war es 528 praktisch am Ende. Und so ging es überall in Eurasiens Glücklichen Breiten weiter, ein chaotisches Jahrhundert nach dem anderen.
    Ich habe nie versucht, die Tatsache zu verbergen, dass es sich bei alledem um eine höchst verwirrende Geschichte handelt, und ich finde, die Abbildung 3.7 fasst das ganze Durcheinander sehr schön zusammen. Die grafische Darstellung unterteilt die Glücklichen Breiten in vier Regionen (Europa, den Nahen Osten, China und Indien) und zeigt die geografische Größe ihres jeweils größten Imperiums über die ersten vierzehn Jahrhunderte n.   Chr. Zugegeben, es birgt eine ganze Reihe technischer Probleme, Größe so einfach als Maß für die Stärke Leviathans (ich meine damit die Stärke zentralisierter Staatsmacht) zu nehmen. Das offensichtlichste dieser Probleme ist der große Ausschlag in der Kurve des Nahen Ostens zwischen 650 und 850 n.   Chr., der für die arabischen Kalifate der Umayyaden und Abbasiden steht. Theoretisch kontrollierten die

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