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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Geld kosteten. Weit üblicher war die Antwort Enguerrands VII. de Coucy. Als sein Herr (der König von England) ihn 1369 zum Krieg gegen seinen anderen Herrn (den König von Frankreich) aufrief, verkündete de Coucy einfach einen persönlichen Friedensvertrag mit beiden Königen und suchte sich, anstatt einen seiner Herren zu bevorzugen, einen dritten, indem er mit der Armee des Papstes in Italien ins Feld zog. Als dem päpstlichen Feldzug 1374 die Luft ausging, führte de Coucy mit 10   000 Mann einen Privatkrieg in der Schweiz.
    In den 1770er Jahren, er saß gerade in der Sicherheit seines aufgeklärten Edinburgh über seinem klassischen Werk über den Wohlstand der Nationen , stellte Adam Smith der turbulenten Zeit, für die de Coucy, Graf Robert oder König Heinrich und Philipp standen, seine eigene wohlgeordnete Welt gegenüber. Diese Zeit, so Smiths trauriger Schluss, sei eine Zeit »feudaler Anarchie« gewesen (benannt nach feoda oder feuda , dem lateinischen Namen für die Erblehen, die für eine derartige Verwirrung hinsichtlich der Loyalitäten gesorgt hatten). »Der Hochadel«, schrieb Smith, »führte nach wie vor Krieg, wann es ihm gerade in den Sinn kam, meistens gegeneinander, recht häufig aber auch gegen den König selbst. Das Land blieb ein Schauplatz für Gewalttätigkeit, Raub und Aufruhr.« 21 (Abbildung 3.8)
    Seit Smiths Tagen hat die gelehrte Welt große Schwierigkeiten gehabt zu entscheiden, welche Bedeutung dem Zeitalter der feudalen Anarchie eigentlich zukommt. Seine Studien über eben dieses mittelalterliche Hauen und Stechen waren es, die Norbert Elias in den 1930er Jahren erkennen ließen, dass Europa einen Zivilisationsprozess durchgemacht haben musste, der die Raten gewaltsamen Todes nach unten drückte. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Da Elias nicht sehr tief in die Vergangenheit hinabschaute, ging er davon aus, dass die feudale Anarchie schlicht der natürliche Zustand des Menschen war und nicht das Endergebnis eines Jahrtausends voller kontraproduktiver Kriege nach dem Zusammenbruch der antiken Reiche.
    [Bild vergrößern]
    Abbildung 3.8Feudale Anarchie
    Die Blüte christlichen und muslimischen Rittertums haut sich im ägyptischen Damiette* 1218 in Stücke (aus einem Buch aus dem Jahre 1255).

    In den 1960er Jahren jedoch, als der Geist von Jugend und Sexualität mehr und mehr Wissenschaftler davon überzeugt hatte, dass der Mensch von Natur aus friedlich veranlagt sei, begannen viele Historiker sich zu fragen, ob »feudale Anarchie« wirklich die richtige Art ist, die Welt de Coucys zu beschreiben. Sie haben gewiss insofern recht, als auf jeden Wilhelm der Eroberer, der Köpfe abschlägt, ein Franz von Assisi kommt, der sich den Armen widmet, und die meisten Europäer regelten ihre Streitigkeiten überwiegend ohne Gewalt. Aber das gilt natürlich auch für die Yanomami – und doch stirbt ungefähr ein Drittel ihrer Männer durch Gewalteinwirkung. Was die »feudale Anarchie« zu einem so geeigneten Etikett für das Europa des 14. Jahrhunderts macht, ist der Umstand, dass so viele seiner Bewohner(ganz wie die Männer der Yanomami) mit erschreckender Beiläufigkeit in der Gewalt Zuflucht nahmen. Mir die liebste unter den vielen tausend einschlägigen Geschichten, die uns erhalten sind, ist die Anekdote eines ritterlichen Gelages im französischen Châlons des Jahres 1365. Man hat dem Gast einen Wein zu kosten gegeben:
    »Das ist ein trefflicher Wein«, sagte der Gast nach einem herzhaften Schluck. »Wisst Ihr, was Ihr dafür bezahlt habt?«
    »Das könnte ich nicht sagen«, meinte sein wohlwollender Gastgeber, ein gewisser Grüner Ritter. »Kein Lebender hat mir auch nur einen Denar abverlangt.« 22
    Feudale Anarchie scheint mir eine vorzügliche Beschreibung nicht nur für das westliche Europa zwischen 900 und 1400, sondern auch für die meisten Gesellschaften in den Glücklichen Breiten Eurasiens in jener Zeit zu sein. Von England bis Japan stolperten sie auf eine feudale Anarchie zu, da ihre Leviathane Arme und Beine verloren. Im 3. und 4. Jahrhundert ist in Dokumenten aus dem Norden Chinas von buqu die Rede – Vasallen, die ihren kriegerischen Grundherren für einen Anteil an der Beute in die Schlacht folgten und Soldaten stellten. Im Indien des 6. Jahrhunderts, begannen die Herrscher des schwindenden Gupta-Reichs sich der faktischen Unabhängigkeit der samantas – lokaler Grundherren, die Soldaten stellten – bewusst zu werden, als die kaiserliche Bürokratie

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