Krieg – Wozu er gut ist
das Lager der östlichen Kök-Türken hinwegfegten, worauf die chinesische Grenze für ein halbes Jahrhundert sicher war.
Die Leistung jedoch, die die Tang-Monarchen über die Feudalkönige hinaushob, bestand darin, das Militär wieder unter zivile Kontrolle zu stellen. Praktisch veranlagt, wie sie nun einmal waren, einigten sie sich mit den mächtigen Aristokraten, wenn es nötig war, verweigerten aber die Vergabe von Militärlehen. Stattdessen setzten die Tang alle und jeden auf ihre Lohnliste und zogen sogar von früheren Dynastien vergebene Lehen wieder ein. Sie versetzten Generäle turnusmäßig im ganzen Reich, um zu verhindern, dass sie allzu starke lokale Bande knüpften. Ein Offizier, der ohne ausdrücklichen Befehl auch nur zehn Soldaten bewegte, riskierte die Inhaftierung; einer, der ein Regiment versetzte, sah sich womöglich dafür stranguliert.
Im Prinzip machten die Tang alles richtig, und das 7. Jahrhundert wurde zu einem goldenen Zeitalter Ostasiens. Sie sorgten wieder für Frieden, die Wirtschaft boomte, die chinesische Dichtung erreichte einen nie gekannten Grad von Vollkommenheit. Heere der Tang überrannten Korea und die Oasen Zentralasiens; das chinesische Denken hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck auf Japan und Südostasien. Aber trotz dieser Triumphe gelang es noch nicht einmal den Tang, den Teufelskreis von produktivem und kontraproduktivem Krieg zu durchbrechen.
Gegen Mitte des 8. Jahrhunderts war China so reich geworden, dass sich in den Steppengebieten neue Allianzen von Turkvölkern gebildet hatten, die darauf aus waren, es zu plündern. Um sich zu verteidigen, mussten dieTang immer größere Heere an ihrer Grenzen abstellen, und 755 putschte einer ihrer Generale, ein Türke, der auf chinesischer Seite kämpfte. Man schlug den Aufstand nieder, aber weil man den Generälen enorme Machtbefugnisse zugestand und immer mehr Türken auf der Seite des Reichs gegen andere, bereits eingedrungene Türken kämpfen ließ, kam es zu immer schlimmeren Katastrophen. Es gab kurze Intervalle, in denen die Hoffnung wieder aufflackerte, aber alles in allem befand sich das Reich die nächsten anderthalb Jahrhunderte im freien Fall. Die Sicherheit brach fast völlig zusammen. Kriminelle Banden wurden stark genug, um selbst das kaiserliche Heer in offener Schlacht zu schlagen, und 883 plünderte der mächtigste dieser Banditen (bei seinen Freunden der Himmelsstürmende Generalissimus, bei seinen Feinden der Irre Bandit) sogar Chang’an. Bevor der Irre Bandit auftauchte, war Chang’an mit womöglich einer Million Einwohner die größte Stadt der Welt gewesen. Danach beschrieb der Dichter Wei Zhuang die Stadt folgendermaßen, als er sie besucht hatte:
Chang’an liegt still; was ist noch geblieben?
In verfallenen Märkten und verlassenen Straßen sprießen Büschel Weizen…
In der Hanyuan-Halle treffen sich Füchse und Hasen …
Die Avenue des Himmels entlang schreitet man über die Gebeine hoher Beamter. 26
Es waren so viele Menschen am Verhungern, so erzählt eine Geschichte, dass 883 jeden Tag tausend Bauern getötet und verzehrt wurden; die Leute des Irren Banditen pökelten sogar die eine oder andere Leiche, um sie für später zu konservieren. Um 907, als man sich des letzten Tang-Kaisers entledigte und China offiziell in zehn Königreiche zerfiel, hatte es ganz den Anschein, als gäbe es keinen Ausweg aus dem Teufelskreis von produktivem und kontraproduktivem Krieg.
Endstation
Die Revolution im Militärwesen, die den Glücklichen Breiten zwischen 500 v. Chr. und 500 n. Chr. den Reiterkrieg beschert hatte, unterschied sich von den meisten früheren Revolutionen. Diese früheren Umwälzungen – die Einführung von Befestigungsanlagen und Belagerungskriegen nach 4300 v. Chr., Bronzewaffen und Rüstungen nach 3300, Truppendisziplin irgendwann zwischen dieser Zeit und 2450, große mit Eisenwaffenausgerüstete Infanterien um 900 v. Chr. – waren im Großen und Ganzen den Stärken der Glücklichen Breiten entgegengekommen, hatten den Leviathanen Werkzeuge an die Hand gegeben, Konflikte im Inneren in Schach zu halten, ihre Nachbarn zu unterwerfen und größere Gesellschaften zu schaffen. Selbst Streitwagen, die um 2000 v. Chr. in den Steppen erfunden worden waren, hatten letztlich in den Händen der Imperien mehr Wirkung entfaltet als in denen räuberischer Horden, da nur Imperien es sich leisten konnten, sie zu Tausenden zu bauen und entsprechend viele Pferde dafür zu
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