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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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zusammenbrach. Im Nahen Osten des 9. Jahrhunderts sorgten die iqta – Ländereien, die der Kalif lokalen Sultanen zuteilte, die dafür Truppen stellten (oder auch nicht) – für das bisschen Leim, das die arabische Welt noch zusammenhielt. Um 1000 hatte sich auch das Byzantinische Reich in diese Richtung entwickelt; hier gewährten die Kaiser als Gegenleistung für den Militärdienst als pronoiai bezeichnete Ländereien. Allenthalben waren die alten Imperien auf dem Weg in ihr Grab.
Zombie-Imperien
    Wo sie freilich nicht blieben. Wie Hollywoods Zombies standen sie wieder von den Toten auf. Immer wieder.
    Nehmen wir China. Als der buddhistische Priester Yang Xuanzhi 547 die ehemalige Hauptstadt Luoyang besuchte, war er bestürzt über den Grad der Verwüstung. »Die Stadtmauern waren eingestürzt, Paläste und Häuserwaren verfallen«, schrieb er. Nur dreizehn Jahre zuvor hatte ein großer Aufstand die Stadt um ihren Wohlstand gebracht, die Einwohner in alle Winde verstreut und die Nördliche Wei-Dynastie, die diesen Teil Chinas kurzfristig geeint hatte, in zwei einander bekriegende Staaten geteilt. Seit der Zeit, so Yang, hatten »Feldtiere in den überwucherten Stufen des Palasts ihre Löcher gegraben, und Bergvögel nisteten in den Bäumen des königlichen Hofs. Umherziehende Hirten lungerten auf den Landstraßen herum, und Bauern pflanzten Hirse zwischen den Zeremonialtürmen.« 23
    Aber nur vierzig Jahre nach Yangs Besuch war der Norden Chinas wiedervereinigt und weitere zwölf Jahre später, im Jahre 589, befand sich China weitgehend unter der Herrschaft der Sui-Dynastie. China hatte sich den Hang von Abbildung 3.7 wieder hinaufgearbeitet.
    Wie produktive Kriege hatten auch kontraproduktive Kriege ihren Kulminationspunkt, und wenn sie über diesen hinausschossen, verbrachten Männer, die sich durch ihre Gewalttätigkeit auszeichneten (wie die Herrscher des Altertums), weniger Zeit mit Töten als in Meetings. »Du musst folgende Wahrheit verstehen«, sagte ein persischer Fürst um 1080 seinem Sohn, »das Königreich kann von der Armee gehalten werden und die Armee durch Gold; und Gold erwirbt man durch die Entwicklung des Ackerbaus; und den Ackerbau entwickelt man durch Gerechtigkeit und Gleichheit. Deshalb sei gerecht und unparteiisch.« 24
    Eroberer, die sich dieser Wahrheit verweigerten, hielten sich nicht lange. Nachdem sie 589 die Wiedervereinigung Chinas zuwege gebracht hatte, hob die Sui-Dynastie immer größere Armeen aus und schickte sie in verhängnisvolle Kriege in Korea. In den 610er Jahren wollten ihre Untertanen sich das nicht länger bieten lassen, und eine Weile sah es ganz so aus, als sinke China zurück in die feudale Anarchie. Das Banditentum nahm zu, die Zahl der steuerzahlenden Haushalte sank um 75 Prozent, und ein Gutteil des Landes fiel an Kriegsherren (darunter Tausende von militanten buddhistischen Mönchen, die offensichtlich von ihrer Lehre der Gewaltlosigkeit nicht sehr beeindruckt waren). Die Sieger der Bürgerkriege jedoch, die das Land als Tang-Dynastie übernahmen, hatten die Lektionen des produktiven Krieges gelernt. »Der Kaiser ist abhängig vom Staat«, schrieb Kaiser Taizong, »doch der Staat hängt von seinem Volk ab. Wenn man das Volk unterdrückt, nur damit es dem Herrscher dient, dann ist das so, als ob man jemandem das eigene Fleisch herausreißt, um dessen Magen zu füllen. Sein Magen ist befriedigt, doch sein Körper verletzt: Der Herrscher mag dann reicher sein, aber sein Staat ist zerstört.« 25
    Die Tang-Monarchen standen zu ihrem Wort. Sie gewährten Amnestien, beförderten begabte Beamte ungeachtet ihrer vormaligen Loyalitäten und sorgten wieder für einen professionellen öffentlichen Dienst. Um selbst Vorbild zu sein, ließ Taizong sich angeblich von seinen Bürokraten Memos an die Wände seines Schlafzimmers pinnen, um sie jeden Abend vor dem Einschlafen studieren zu können. Er holte sogar die rebellischen Buddhisten mit an Bord, indem er die von ihnen, die sich ergaben, einstellte, um in neu an den Stätten der größten Schlachten errichteten Klostern für die Kriegstoten (beider Seiten) zu beten.
    Und das war noch nicht alles. Als Abkömmlinge nomadischer Invasoren waren die Tang-Herrscher mit der Politik der Steppen vertraut genug, um für Zwist zwischen den Turk-Stämmen zu sorgen, die ihnen jenseits der Chinesischen Mauer gegenüberstanden. 630 schickten sie 10   000 Reiter aus, die, aus dem dichten Morgennebel kommend, bei der Schlacht am Eisenberg

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