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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Versprechen, für sie zu kämpfen, Lehen nebstArbeitskräften an geringere Ritter vergaben; diese wiederum vergaben Land nebst Arbeitskräften an noch geringere Leute. Und so ging das immer weiter, bis alle ein komplexes Gewebe von Rechten und Pflichten verband, vom König am Hof bis hinunter zum ärmsten Bauern, der die tatsächliche Arbeit tat.
    Die Könige zogen einen offensichtlichen Vorteil daraus, die abschüssigen Wege des kontraproduktiven Kriegs zu beschreiten: Sie mussten weder professionelle Soldaten für ihre Kriege noch Bürokraten zum Eintreiben der Steuern bezahlen. Auf der anderen Seite hatte diese neue Organisation der Armeen auch ihre Nachteile. Zunächst einmal hatte der König so kaum mehr Druckmittel gegenüber seinen Gefolgsleuten, denen oft mehr an der persönlichen Ehre gelegen war als an einem größeren Plan; sie neigten entsprechend dazu, sich entweder in die Schlacht zu stürzen oder wegzulaufen, je nach Lust und Laune. Die berühmteste aller mittelalterlichen Schlachten, die von Hastings im Jahre 1066, entschied eben dieser Punkt. Im kritischen Augenblick überlegten es sich die Normannen während ihrer Attacke des rechten Flügels von König Harolds angelsächsischer Armee anders und liefen davon. Befehle, Doktrin und gesunden Menschenverstand über Bord werfend, stürzten Harolds Brüder Leofwynge und Gyrthe mitsamt ihren jubelnden Männern den Hang hinab hinter ihnen her. Am Fuße des Hangs sammelten die Normannen sich, machten kehrt und rieben ihre völlig desorganisierten Verfolger auf. Jeglichen Zusammenhalts verlustig gegangen, löste die Linie der Angelsachsen sich im nächsten Augenblick auf. Das Königreich war verloren.
    Der Legende nach bekam König Harold einen normannischen Pfeil ins Auge, aber selbst wenn er die Niederlage heil überstanden hätte, er hätte sich sofort vor dem zweiten großen Problem der Kriegführung seiner Zeit gesehen: Ein König, der keine Schlachten gewann, konnte nicht plündern, und allen Treueschwüren, allem Gerede von Ehre zum Trotz, wenn der König keine Beute zu verteilen hatte, war es auch mit der Loyalität seiner Leute nicht mehr weit her.
    Der Führer der Normannen, Wilhelm der Eroberer, dagegen konnte seine Gefolgsleute mit einem Anteil an Englands reichen Gütern belohnen. Aber selbst er bekam alsbald Schwierigkeiten, da die neuen Arrangements zu einem dritten Problem führten: Von Generation zu Generation nahm die Komplexität des Gewebes von Pflichten und Verpflichtungen zwischen dem König und seinen Vasallen zu. Clevere Grundherren oder solche mit einemglücklichen Händchen erweiterten ihre Güter durch Erbe, Mitgift und Kauf, aber jedes neue Gut war mit neuen Verpflichtungen verbunden. So dauerte es nicht lange, und so mancher sah sich gleich mehreren Herren gegenüber in der Pflicht.
    So erging es dem Grafen Robert II. von Flandern. 1101 schwor Graf Robert König Heinrich I. von England die Treue und gelobte dabei, wie das so üblich war, seinem Herrn »gegen alle Menschen, die leben und sterben« 19 , zur Seite zu stehen. Davon ausgeschlossen, so Robert, sei jedoch der Einzige, der König Heinrich tatsächlich Sorgen machte: König Philipp von Frankreich. Robert konnte Heinrich unmöglich geloben, gegen Philipp ins Feld zu ziehen, dessen Vasall er bereits war. Robert versicherte dem König, er würde, falls Philipp sich zum Krieg gegen England entschied, ihm diesen auszureden versuchen; aber wenn alles Palaver nichts fruchten und Philipp tatsächlich in England einfallen sollte, wäre er – Robert – verpflichtet, an der Seite Frankreichs ins Feld zu ziehen. Er beteuerte jedoch, sein Kontingent Soldaten für die Franzosen würde gerade mal groß genug ausfallen, um ihn vor dem Vorwurf des Treuebruchs zu bewahren.
    Falls, auf der anderen Seite, König Heinrich von England Graf Roberts Unterstützung in einem Krieg bräuchte, der nicht gegen Frankreich gerichtet wäre, würde Robert sie ihm mit Freuden gewähren – es sei denn Robert sei (a) krank oder liege bereits (b) für den König von Frankreich oder (c) für den deutschen Kaiser (der ebenfalls einer von Roberts Herren war) in einem anderen Krieg. Und als wäre das alles noch nicht kompliziert genug, gelobte Robert zu guter Letzt noch, für den Fall, dass Frankreich in die Normandie einfallen sollte – was mit einiger Sicherheit den Krieg zwischen Frankreich und England bedeutete –, den Franzosen nur zwanzig seiner Ritter zu schicken und die anderen 980 den Engländern

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