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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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errichtete das größte Reich, das Persien seit tausend Jahren erlebt hatte, die Moguln übernahmen die Herrschaft über nahezu ganz Indien, und die Qing-Dynastie dehnte die Grenzen Chinas sogar über das Gebiet der modernen Volksrepublik hinaus aus.
    Im Detail bestanden erhebliche Unterschiede, aber auch wenn es unter den Herrschern einen gewissen Anteil an Alkoholikern, Drogensüchtigen und Degenerierten gab, waren sie doch gezwungen, dem uralten Skript zu folgen und zu stationären Banditen zu werden. Sie beschäftigten Beamte, bezahlten ihre Armeen, statt sie plündern zu lassen, und fanden Mittel und Wege, Landwirtschaft und Handel als Hauptquelle von Steuereinnahmen zu fördern – da »Schrapnell- und Kartätschenschuss« (ganz zu schweigen von Harems und Opium) schließlich Geld kosteten. »Schaut mit Wohlwollen auf die Kaufleute«, drängte ein typischer osmanischer Staatsdiener seinen Sultan, »kümmert Euch immer um sie; lasst sie von niemandem drangsalieren; denn durch ihren Handel wird das Land reich.« 15
    Die meisten Beamten ließen sich auch weiterhin bestechen und unterdrückten die Armen, aber einige wenige begannen, Eigentumsrechte zu klären, vernünftige Steuern festzusetzen und Investitionen zu fördern. Sie unterstützten den Anbau wunderbarer neuer Feldfrüchte aus Amerika – Kartoffeln, Süßkartoffeln, Erdnüsse, Kürbisse und Mais –, die die Erträge drastisch steigerten. Mit Investitionen in Straßen und Brücken, Strafverfolgung von Banditen und wirtschaftsfreundlichen Gesetzen schufen Staaten die praktischen Voraussetzungen, dass Bauern Nutzpflanzen wie Baumwolle, Kaffee und für die Seidenproduktion anbauen konnten. Um 1600 gab es im Jangtse-Tal die wohl produktivsten Bauern der Welt, dicht gefolgt von den Bauern Südindiens und Bengalens.
    Die neuen Regeln waren gut für die Sultane und Schahs, die ihre Taj Mahals und Moscheen bauen konnten; unklar ist dagegen, inwieweit die breite asiatische Bevölkerung von allen diesen staatlichen Maßnahmen profitierte. Es gibt Hinweise, dass die Löhne stiegen, wenn die Leviathane sich ausbreiteten, und sanken, wenn Staaten zusammenbrachen; aber bevor sich gesicherte Aussagen darüber machen lassen, sind noch erheblich mehr Studien der obskuren, verwirrenden Quellen notwendig, die verstreut in Archiven von Istanbul bis Peking liegen.
    Auf sichererem Terrain bewegen wir uns mit der Behauptung, dass die Staaten die Gewalt reduzierten. In Persien, wo es am schlimmsten war, lähmten Stammesfehden das Land bis ins 16. Jahrhundert. Schah Tahmasp I. beklagte 1524: »Ich war gezwungen, geduldig dem Blutvergießen zwischen den Stämmen zuzusehen, und versuchte zu erkennen, was der Wille Gottes in diesen Ereignissen war.« 16 Siebzig Jahre später schlug Schah Abbas I. einen härteren Kurs ein. »Sobald er den Thron bestieg, verlangte er, in jeder Provinz die schlimmsten Straßenräuber auszumachen, und machte sich an die Aufgabe, diese Leute auszumerzen«, berichtete sein Biograf. 17 Abbas’ zupackende Art, für Sicherheit zu sorgen (1593 enthauptete er eigenhändig einen Störenfried), funktionierte. In den 1670er Jahren staunte ein französischer Reisender: »Die Straßen sind in ganz Asien so sicher, besonders in Persien.« 18
    Für China liegen tatsächlich einige Statistiken vor. Zwischen 1368 und 1506, also in der ersten Hälfte ihrer Geschichte, baute die Ming-Dynastie Leviathan auf, und aus dieser Zeit sind nur 108 Vorfälle mit Banditen oder Rebellen verzeichnet. Aber von 1507 bis 1644 verlor die Ming-Bürokratie zunehmend die Kontrolle, und die Zahl der registrierten Zwischenfälle stieg auf 522. Ebenso auffallend ist, dass Verbrecher vor 1506 dazu tendierten, zu plündern, zu vergewaltigen und zu töten und dann zu flüchten, bevor staatliche Sicherheitskräfte auftauchten. Nach 1506 neigten sie dazu, sich gegen die Truppen zu behaupten, und häufig behielten sie die Oberhand.
    Die Ming-Herrschaft brach 1644 schließlich zusammen, und das Land versank in Anarchie. Aber obwohl während der Ming-Qing-Katastrophe (wie Historiker es nennen) Millionen – vielleicht sogar Zigmillionen – Menschen starben, unterschied sich diese grauenvolle Episode von früheren dynastischen Zusammenbrüchen. Dieses Mal brachen keine Wellen von Reiterhorden aus der Steppe herein, um die Situation auszunutzen, und China versank nicht in immer neuen blutigen Krisen. Vielmehr stellte die neue Qing-Dynastie die Grenzen wieder her, schlug die Rebellionen nieder und

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