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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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es, Schiffe in der Kiellinienformation hart am Wind zu halten. Tausende fähiger Seeleute mussten in die Takelage klettern und genau im richtigen Moment die Segel reffen, bergen, lavieren, anluven und kreuzen – und das alles in dichtem Rauch und unter ständigem Beschuss. Männer mussten zu austauschbaren Rädchen im Getriebe werden.
    Vierhundert Jahre nach dieser militärischen Revolution brachten Delegierte auf dem Nationalkonvent der Republikaner in den USA 2008 einen griffigen Slogan für ihre Antwort auf die drastisch steigenden Ölpreise auf:»Drill, baby, drill«, skandierten sie, um die USA zu drängen, mehr Erdöl auf eigenem Territorium zu fördern. 20 Kein Slogan könnte besser die Methode beschreiben, die Gustav Adolf und seine Zeitgenossen zur Standardisierung von Menschen entwickelten. Drill war der Weg, sie austauschbar zu machen. Unermüdliche Zuchtmeister (im Englischen martinet genannt nach dem berüchtigten französischen Drillmeister Jean Martinet) drillten Soldaten, Pulver, Kugel und Schusspflaster in ihre Vorderlader zu stopfen, bis sie es mit geschlossenen Augen schafften, und Seeleute übten Knoten, bis ihre Finger wund waren. Bisher ist es nie gelungen, Menschen vollständig zu Rädchen einer Maschinerie zu machen, aber die Drillmeister des 17. Jahrhunderts kamen diesem Ziel erstaunlich nahe.
    Am schwierigsten erwies sich die Standardisierung bei Offizieren. Das neue System brauchte unzählige Offiziere (die niederländische Armee stellte in den 1590er Jahren ihre Kompanien von 250 Soldaten mit elf Offizieren auf 120 Soldaten mit zwölf Offizieren um, das Verhältnis von 10:1 gilt bis heute als Standard). Aber die Männer, die sich für diese Aufgabe anboten – die Angehörigen der Oberschicht –, sahen sich tendenziell in erster Linie als Aristokraten und erst mit großem Abstand als Rädchen im Getriebe. »Unser Leben und Eigentum gehört dem König. Unsere Seele gehört Gott. Unsere Ehre gehört uns«, schrieb ein französischer Offizier. 21 Regelmäßig duellierten sich untergeordnete Offiziere wegen undurchsichtiger Etikettefragen mit ihren Vorgesetzten, und die meisten empfanden es als zutiefst beleidigend, in Uniformen gezwängt zu werden, die ihre Individualität standardisierten Rängen unterordnete.
    Bis weit ins 18. Jahrhunderte hinein zogen Offiziere sich für eine Schlacht an wie für einen Ball: gepuderte Perücke, Schnallenschuhe, Satinhose, Parfümwolken. Zur Schlacht von Fontenoy im Österreichischen Erbfolgekrieg brachte ein französischer Offizier 1745 für alle Fälle sieben Paar Seidenstrümpfe mit. »Du liebe Güte«, ruft die Heldin einer Komödie aus dem 18. Jahrhundert aus, »sich vorzustellen, wie die netten Burschen auf dem Boden schlafen und in Seidenstrümpfen und Spitzenrüschen kämpfen.« 22 Erst 1747 kam eine Gruppe junger britischer Marineoffiziere bei einem Geheimtreffen in einem Café auf die Idee, »dass eine einheitliche Kleidung nützlich und für Offiziere notwendig ist«. 23
    Aber von der Anarchie in Kleidungsfragen einmal abgesehen, begannen neu geschaffene Militärakademien nach 1600 tatsächlich, eine recht professionelle Offiziersschicht auszubilden. Samuel Pepys – Tagebuchautor, Lebemann und Verwaltungsfachmann – krempelte 1677 die englische Marineausbildung mit einer klaren Zielsetzung völlig um: Offiziere auszubilden, die sich durch »Nüchternheit, Gewissenhaftigkeit, Gehorsam gegenüber Befehlen und Fleiß in Studium und Anwendung der Navigationskunst« auszeichneten. 24 Vielleicht mit Ausnahme der Nüchternheit gelang ihm das hervorragend, denn er zwang jeden Offizier – so gute Beziehungen er auch haben mochte –, Prüfungen in Astronomie, Waffenkunde, Navigation und Signalwesen abzulegen. *27
    Um 1700 waren die Feuerlinien, die Europäer zu Land und zur See einsetzten, ohne Frage die schlagkräftigsten, die die Welt je erlebt hatte. Sie hatten nur eine Schwäche, wie Pepys feststellte: »Der Geldmangel führt überall zu Missständen, besonders in der Flotte.« 25 Das Wettrüsten um standardisierte Männer und Waffen war extrem kostspielig. Selbst die reichsten Staaten bekamen schon bald die größten Schwierigkeiten, die nötigen Mittel für die anstehenden Aufgaben aufzutreiben.
    Die gröbste Lösung war, die Bilanzen zu fälschen. Munter erfüllten Regierungen ihre Zahlungsverpflichtungen nicht, ließen die Inflation aus dem Ruder laufen, und wenn alles andere versagte, bezahlten sie einfach ihre Truppen nicht mehr. Das ging

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