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Krieg – Wozu er gut ist

Krieg – Wozu er gut ist

Titel: Krieg – Wozu er gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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jedoch in der Regel schief. Unbezahlte englische Seeleute erfanden den Streik: Sie strichen die Segel und legten damit die Flotte still, bis der Staat ihren Sold bezahlte. Als die Flotte streikte und Pepys nicht arbeiten konnte wegen der »beängstigend großen Zahl laut klagender Seeleute, die ohne Geld und hungernd auf der Straße liegen« 26 , segelte eine niederländische Flotte 1667 die Themse hinauf, setzte Englands beste Schiffe in Brand oder schleppte sie ab. Die Frauen der Seeleute griffen Parlamentsabgeordnete auf den Londoner Straßen an und schrien: »Das kommt davon, dass ihr unsere Männer nicht bezahlt.« 27
    Die Alternative zur Senkung der Kriegskosten war, die Einnahmen zu erhöhen, um diese Kosten zu decken, und diesen Kurs verfolgten die Staaten noch eifriger. Eine Methode, die im Absolutismus gängige Praxis war, bestand in der Abschaffung der zahlreichen Privilegien, die Adelige, Städte und Klerus im Laufe der vorangegangenen tausend Jahre angehäuft hatten. So setzten die Monarchen das Recht durch, alles in ihrem Reich zu besteuern. Selbstverständlich gefiel das den Königen sehr, weniger glücklichwaren dagegen die Stände, die ihre Privilegien verloren. Allzu oft führte das zum Bürgerkrieg.
    Wenn es für die Könige schlecht lief, wie es 1649 in England und 1793 in Frankreich der Fall war, drohte ihnen die Enthauptung. Aber selbst wenn es gut lief, war nie genügend Geld da. Nicht einmal dem französischen König Ludwig XIV., dem größten absolutistischen Herrscher (der angeblich das Schlagwort prägte: » l’état, c’est moi «, »der Staat bin ich« *28 ), gelang es letztlich, genügend Geld flüssig zu machen, um all die kleinen Königreiche und Fürstentümer zu bekriegen, die sich gegen ihn zusammengetan hatten. Bei seinem Tod 1715 war Frankreich so gut wie bankrott.
    Ein dritter Ansatz war, das nötige Geld auf effizientere Weise aufzutreiben. Hier waren die Niederländer führend, indem sie einen Sekundärmarkt für Staatsanleihen schufen. Er ermöglichte es Kapitalisten, Teile der staatlichen Schulden aufzukaufen und sie mitsamt den Zinsen, die sie einbrachten, an andere Investoren zu verkaufen – ganz ähnlich wie Banken heutzutage Hypothekendarlehen vergeben und weiterverkaufen. In Verbindung mit Gesetzen, die Investorenängste vor einem Staatsbankrott beschwichtigten, eröffnete diese Maßnahme den Niederlanden die Möglichkeit, schneller und billiger mehr Geld aufzutreiben als sämtliche Rivalen. Im 17. Jahrhundert führten die Niederlande ständig Krieg, und ihre Staatsverschuldung stieg sprunghaft von fünfzig Millionen Gulden 1632 auf 250 Millionen Gulden 1752. Dank des Vertrauens der Investoren sanken die Zinsen dennoch stetig und fielen 1747 unter 2,5 Prozent.
    England trieb diese Idee noch weiter, eröffnete 1694 eine Nationalbank, die sich um die Finanzierung der Staatsschulden kümmern sollte, und erhob spezielle Steuern, um die Zinsen der Staatsanleihen bezahlen zu können. Gesunde Staatsfinanzen brachten außergewöhnliche Geldmengen herein. Während eine einzige größere Niederlage Länder mit geringer Kreditwürdigkeit in die Knie zwingen konnte, war es den Regierungen in Amsterdam und London offenbar möglich, nahezu beliebig neue Armeen und Flotten aufzustellen, auszubilden und einzusetzen. Der englische Schriftsteller Daniel Defoe hatte den Eindruck: »Kredit lässt den Soldaten ohne Sold kämpfen, die Armeen ohne Proviant marschieren.« 28
    Mehr konnten Staaten kaum verlangen, aber die meisten standen dieser neuen Institution zwiespältig gegenüber. Damals wie heute konnten Finanzinstrumente, die Bankiers wunderbar fanden, alle anderen beunruhigen, und damals wie heute verstand kaum jemand – die Bankiers eingeschlossen –, wie diese neuen Instrumente eigentlich funktionierten. So führte 1720 die Südseeblase in Britannien und die Mississippiblase in Frankreich zum Zusammenbruch von Banken und zum Ruin von Investoren. In Frankreich setzte eine Gegenbewegung ähnlich der heutigen Tea-Party-Bewegung in den USA ein – was vielleicht nicht überrascht, wenn man bedenkt, dass die Tea Party des 21. Jahrhunderts nach einer Steuerrebellion des 18. Jahrhunderts benannt ist.
    Das 18. Jahrhundert kannte zwar nicht den Gegensatz von Finanz- und Realwirtschaft (Wall Street versus Main Street), wohl aber den Gegensatz zwischen der Bank of England und dem Grundbesitz. Aristokraten, die über Generationen hinweg die Politik dominiert hatten, vermuteten (zu recht),

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