Krieger der Stille
brutal zerstört, als der Françao antwortete: »Bis zum heutigen Tag ist jedenfalls keins bekannt. Ich dachte, dass ich dir das bereits gesagt habe.«
Sie überflogen jetzt erste, weit verstreute Geländekomplexe inmitten ausgedörrter Parkanlagen. Um diese Stunde waren auch die verbotenen Viertel wie ausgestorben. Eine rußige Schwärze umgab sie, weil nicht einmal die Lichtkugeln brannten; es schien, als hätte die Finsternis sie besiegt.
Sie ahnten nicht, dass sie verfolgt wurden. Nur ein paar Meter über ihnen flog eine Taxikugel, schnell und unsichtbar in der tintenschwarzen Nacht. Und deren Fahrgäste hatten den erbarmungslosen Kampf in den Dünen von Rajiatha-Na bis in alle Einzelheiten verfolgt.
ZEHNTES KAPITEL
Gewählt habe ich des Schutzes heiligen Pfad.
Nie könnt’ ich ihn verlassen, auch gegen jeden Rat.
Bei Tag, bei Nacht, zu jeder Stunde
Schütz’ ich die Gedanken meines Herrn,
Geb’ niemandem Kunde,
Denn er allein soll Herrscher seiner Gedanken sein.
Sollt’ ich das Gebot des Stillschweigens brechen,
Sollt’ ich die Gedanken meines Herrn nicht für immer vergessen,
Soll ohne Verweilen der Tod mich ereilen.
Das schwöre ich bei meiner Seele,
Denn ehrlos wär’ ich, wenn ich fehle.
Aus den Archiven der Kongregation der Smellas:
Der heilige Pfad des Beschützers
Auszug aus dem Ehrencode des Mentalen Schutzes
M it nervösen, hastigen Schritten marschierte Artuir Boismanl durch die Zweite syracusische Nacht, wie stets von seinem Gedankenschützer gefolgt.
Die fünf am dunklen Himmel verbliebenen Gestirne markierten ihre Bahn mit langen kometenhaften Lichtstreifen, deren Spektrum von Türkisgrün über Tiefrot reichte. Sie spiegelten sich in den durchsichtigen Blättern und Früchten der sich in einer leichten Brise wiegenden Büsche und Bäume wider.
Artuir Boismanl hatte den Eindruck, dass der Rhythmus seiner Schritte auf der mit Marmor gepflasterten Allee einen ohrenbetäubenden Lärm machte, obwohl seine Schuhe aus Seide waren. Und er fürchtete, in dem um diese Stunde menschenleeren Viertel die Aufmerksamkeit einer der vielen Trupps der Purpur-Garde zu erregen, die unablässig durch Venicia patrouillierten … Wahnsinn! Sein Entschluss war nichts als der reine Wahnsinn!
Er versuchte, seinem Schritt die Leichtigkeit eines Vogels zu verleihen, was einem Mann seiner Statur nicht leichtfiel, denn er hatte kurze, stämmige Beine und einen gedrungenen Körper. So ähnelten seine Bemühungen eher dem Gang eines Roboters als dem mühelosen Dahinschweben einer Kreatur der Lüfte.
Sein Gedankenschützer hingegen folgte ihm in drei Schritten Entfernung so lautlos wie ein Gespenst. Artuir
Boismanl konnte nur das leise Rascheln der weißen Kutte des Scaythen über den Marmor hören. Ohne dessen – ach, so beruhigende – Anwesenheit wäre er schon längst wieder umgekehrt. Eigentlich war er seit dem Moment, als er seinen Fuß vor die Tür gesetzt hatte, von Schrecken erfüllt. Denn die Grundelemente mentaler Kontrolle, die ihn ein Experte der APS – der autopsychischen Selbstkontrolle – für ein horrendes Honorar gelehrt hatte, hatten sich im Angesicht der Ängste und Befürchtungen, die ihn ereilten, völlig in Luft aufgelöst.
Innerlich verfluchte er die Kugeltaxi-Chauffeure, diese verabscheuungswürdige Paritolenbrut, die nie da waren, wenn man sie brauchte. Er hatte ein Fluggerät angefordert, ihm war jedoch mitgeteilt worden, dass die BISS – die Behörde für die interne Sicherheit Syracusas – alle Flugzeuge und Deremats in Venicia beschlagnahmt habe. Also hatte er keine Wahl gehabt und zu Fuß gehen müssen.
Sein rundes Gesicht verschwand im hochgeschlagenen Kragen seines nachtblauen Capes, mit dem er ansprechend gekleidet war und überdies in der Dunkelheit der ihn umgebenden Nacht nahezu unsichtbar wurde – nicht auffälliger als ein winzig kleiner Schatten im großen Schatten. Eine lächerliche Maßnahme allerdings, denn das strahlende Weiß der Kleidung seines Gedankenschützers war umso auffälliger. Manchmal glaubte er, diffuse Geräusche in den Nebenstraßen zu hören. Dann blieb er klopfenden Herzens stehen, hielt den Atem an und starrte mit kurzsichtigen Augen (seine Frau war gegen jegliche Organtransplantation) in die rußschwarze Nacht, wo er vage die Umrisse hochherrschaftlicher Häuser inmitten ihrer ruhig daliegenden Parkanlagen ausmachen konnte.
»Der kleine Artuir Boismanl gibt als Verschwörer eine
jämmerliche Figur ab!«,
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