Krieger der Stille
oder der BISS ausgeliefert. Auf Venicias Plätzen der Reue brannten ständig Feuer, in denen Häretiker und andere Ketzer unter unvorstellbaren Qualen ihr Leben ließen.
Und wenn es – wie im Fall Artuir Boismanl – gelungen war, einen oder mehrere der kostbaren Gedankenschützer anzuheuern, so wurde doch ihre ständige Gegenwart vor allem in den intimsten Momenten allmählich immer irritierender, wenn nicht unerträglich.
»Mein guter Boismanl, ich verbitte es mir, dass du meinen Körper unter den Augen dieses … dieses Monsters
streichelst!«, wies Dame Boismanl ihren Gatten zurück, als dieser seine Sinne nicht mehr unter Kontrolle hatte und einmal zutraulich wurde.
Also hatte er einen Vorhang zwischen dem Ehebett und dem Gedankenschützer anbringen lassen. Aber selbst hinter diesem Paravent aus Stoff gab sich Dame Boismanl den sinnlichen Freuden nicht hin, sondern ertrug die hektischen Attacken ihres Gemahls nur widerwillig und mit einer Kälte, die auf eine zunehmende eheliche Abstinenz hinauslief.
Und nicht nur das: Artuir Boismanl hatte immer stärker das unangenehme Gefühl, nicht mehr er selbst zu sein. Ein Gefühl, als ob sein Gedankenschützer – der nie schlief, nie aß, sich nie ausruhte – jeden Tag etwas tiefer in das Territorium seines innersten Wesens eindringen würde, so als ob der wachsame Geist des Scaythen sich allmählich seines eigenen Geistes bemächtigte, ein heimtückischer Eindringling, der ihn bald völlig vereinnahmen würde.
Dame Boismanl hatte keinen Gedankenschützer haben wollen. »Die Kirche des Kreuzes bewahre mich davor! Lieber sterbe ich, als dass ständig ein Schutzengel an meinem Hintern klebt.«
Die Metapher war von zweifelhaftem Geschmack, sogar etwas vulgär, aber im Kern war sie richtig. Im Übrigen bewies allein die Tatsache, dass während der von Tist d’Argolon einberufenen Versammlung Gedankenhüter anwesend zu sein hatten, während das Ziel gerade dieser Zusammenkunft darin bestand, sich von ihnen zu befreien, welchen Grad der Absurdität das Handeln der syracusischen Würdenträger inzwischen erreicht hatte.
Da Artuir Boismanl manchmal ein durchaus hellsichtiger Zeuge höfischer Riten und Intrigen gewesen war,
wusste er sehr wohl, dass es Tist d’Argolons Ziel war, die Privilegien wiederzuerlangen, deren er sich beraubt glaubte. Trotz seiner bisher geschickten Winkelzüge war es dem Großkonnetabel Pamynx gelungen, ihn aus seiner Favoritenstellung bei Ranti Ang zu verdrängen. Wenn Tist nun den Widerstand organisierte, geschah das einmal, um dem Adel wieder seine Vorrechte zu sichern und gleichzeitig wieder die Zügel der Macht fest in den Händen zu halten, die ihm momentan zu entgleiten drohten. Dieses politische Kalkül störte Artuir keineswegs, weil es im öffentlichen Interesse lag. Und würde Tist Großkonnetabel von Syracusa werden, würde sich ebenfalls die Stellung des kleinen Tuchhändlers verbessern, und er könnte dann vielleicht sogar seinen Traum verwirklichen und zum Stammvater einer Dynastie avancieren, nach deren Ursprüngen niemand mehr fragte. Auch wenn seine Frau ganz anderer Meinung war.
»Mein kleiner Boismanl, unbedeutende Krämer werden nicht durch das Berühren mit einem Zauberstab zu großen Herren. Du solltest deine Nase nicht in ihre Angelegenheiten stecken. Das bringt nichts Gutes. Bescheide dich damit, gut in deinem Beruf zu sein und danke der Kirche des Kreuzes für dein Wohlergehen.«
Kein aufrechter Mann kann einer Megäre Paroli bieten, die nur Stoffe und Zahlen im Kopf hat und einen den lieben langen Tag mit der Kirche in den Ohren liegt, damit man zur Demut zurückfindet.
Also hatte Artuir Boismanl beim Verlassen des Hauses die Tür fest zugeschlagen, um seiner Missbilligung Ausdruck zu verleihen. Noch in seinem Garten hatte er gespürt, wie ihn dieser Temperamentsausbruch beflügelte. Leider wurde er von seinem Angstgefühl wieder auf den
Boden zurückgeholt, sobald er das Gartentor hinter sich geschlossen hatte.
Die Kapuze des Gedankenhüters konnte nur teilweise sein hässliches Gesicht verdecken. Sie gingen an einem riesigen Gelände vorbei, dem Stadiom, dessen Wände so hoch waren, dass sie einen Teil des sternenbedeckten Himmels verdeckten. Wehmütig dachte Artuir Boismanl an seine Kindheit zurück, als er inmitten einer begeisterten aber schweigenden Menge einem der Schigalin-Turniere zugeschaut hatte. Er sah sie vor sich, die stolzen Reiter auf ihren gehörnten Schigalin, wie sie versuchten, durch
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