Krieger der Stille
sein sollte, wollte er nicht, dass sie aus seinem Leben verschwand. Das war ein irrationales, egoistisches Gefühl, das überdies kleinlich war, aber andere Gefühle konnte er in diesem Moment nicht aufbringen. In nur etwas mehr als einem Tag hatte sie einen so wichtigen Platz in seinem Leben eingenommen, dass er die Leere, die durch eine erneute Trennung entstehen würde, nicht würde ertragen können.
»Schauen wir einmal nach, ob die Taxikugel noch flugtüchtig ist«, sagte Long-Shu Pae und verließ den Personenair. Draußen sandte er mit seinem Lichtcode ein Signal an die in der Luft stehende Taxikugel, die einige Minuten später geräuschlos auf dem Dach der Basis aufsetzte.
Als Kraouphas aus der Pilotenkanzel stieg, wurden seine Augen beim Anblick der am Boden liegenden Toten vor Entsetzen ganz groß.
»Ist alles in Ordnung, Ritter?«, fragte er besorgt.
Long-Shu Pae lächelte. Der gute Kraouphas! Hinter dem Ausdruck ständiger Besorgnis verbarg er den Mut eines Löwen.
»Wir brauchen die Taxikugel. Kann sie die Last von fünf Personen tragen?«
»Sie wurde zwar von einem dieser verfluchten Strahlen getroffen, aber sie müsste halten«, antwortete Kraouphas, den Blick auf das fahle Gesicht eines anderen Prougen gerichtet. Der Tote lag in einer Blutlache. Wieder hatte einer der Seinen heute Nacht das Leben verloren. Das allein war
ihm wichtig. Wichtiger als die Probleme der Konföderation oder der Abflug der Raskattas. Roter-Punkt hätte ein friedlicher kleine Planet sein sollen.
»Krieger, wir gehen an Bord. Kümmert Euch um das Mädchen!«, befahl Long-Shu Pae.
Sie quetschten sich so gut es ging in das kleine runde Fluggerät. Tixu beobachtete den Krieger: Filp Asmussa hatte einen Arm um die junge Frau geschlungen und hielt sie fest an sich gepresst.
Die Taxikugel hob ab und gewann schnell an Höhe. Tixu warf einen Blick nach unten. Er sah die Leiche Bilo Maïtrellys, und Bitterkeit stieg in ihm auf. Er hatte den Mann nur ein paar Stunden gekannt, einen Françao, einen Raskatta, einen Kriminellen, aber für Tixu war er auch ein Freund und ein Waffenbruder gewesen. Tränen traten ihm in die Augen, und eine ungeheure Müdigkeit überkam ihn. Sein Kopf sank zur Seite.
Die Dämmerung brach an. Die Sterne erloschen einer nach dem anderen, so als würde ein unsichtbarer Mund sie ausblasen. Grünliches Licht ergoss sich über den Horizont und umspielte die gezackte Stadtmauer Matanas.
»Bald geht Grünes Feuer auf«, murmelte Long-Shu Pae. »Hoffentlich erreichen wir Maïtrellys Residenz, ehe seine Leute seine Leiche entdecken …«
Die Straßen der verbotenen Viertel belebten sich. Nachtschwärmer, Diebe, Drogenabhängige, Bettler und anderes Gesindel durchstöbertern die Abfalleimer auf der Suche nach Essensresten. Prostituierte in durchsichtigen Gewändern verließen in kleinen Gruppen die Bordelle, und Reinigungsroboter ratterten durch die Straßen und sammelten mit ihren geschmeidigen Tentakeln den Unrat auf.
Geräuschlos setzten sie auf dem verbrannten Rasen des Parks auf. Sar Bilo lag noch im Halbschlaf, doch kaum war die Taxikugel zum Stillstand gekommen, schoss eine riesige Löwenhündin aus einem Gebüsch hervor und umkreiste das Fluggerät mit gefletschten Zähnen. Dann erschienen drei Wächter in gelben Uniformen. Zwei waren mit Bauchbrennern bewaffnet, der dritte war der Löwenhund-Führer.
»Ich sondiere das Terrain … Wartet, bis ich Euch ein Zeichen gebe«, sagte Tixu zu dem Ritter.
Long-Shu Pae nickte.
Tixu stieg aus. Die Löwenhündin kam sofort angerannt und beschnupperte seine Waden. Ihre Schulterhöhe betrug etwa einen Meter zehn, und unter ihren hochgezogenen schwarzen Lefzen entblößte sie lange spitze Reißzähne.
Als die Wächter Tixu erblickten, entspannten sie sich. Sie waren noch müde vom Nachtdienst.
»Ach, Sie sind es. Wir hatten Angst, dass Glaktus’ Männer … Und wie ist es gelaufen?«
Der Löwenhund-Führer gab dem Tier ein paar kurze gutturale Befehle, und die Hündin ließ von Tixu ab.
»Es ist vorbei. Wir haben das Mädchen«, antwortete Tixu.
»Und der Françao ist nicht bei Ihnen?«
»Nein. Er ist mit Zorthias zum Sitz der Camorre geflogen … Wohl wegen einer eilig einberufenen Versammlung …«
Der Löwenhund-Führer musterte die Taxikugel neugierig.
»Diese Leute haben uns geholfen«, erklärte Tixu schnell. »Der Françao hat mir aufgetragen, sie hierherzubringen und auf ihn zu warten …«
Der Wächter gähnte, als wollte er sich den
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