Krieger der Stille
Kontakt mit weiblichen Personen
innerhalb des Klosters verbot, ein oder mehrmal am Tag besuchen. Und wenn er dann am Bett der Kranken saß, schmerzten die Wunden seines Herzens und seiner Seele nicht mehr. Er kämpfte nicht gegen seine Gefühle. Seit sie in sein Leben getreten war, hatte er nicht einmal daran gedacht, dass sie eines Tages wieder daraus verschwinden könne. So hoffte er, dass der erfahrene Medicus Nobeer O’An schnell ein Heilmittel gegen das Virus finde.
Schon jetzt freute er sich auf den Besuch, den er ihr nach dem Gespräch mit den Weisen des Entscheidungsgremiums abstatten wollte. Zum wiederholten Mal fragte er sich, was diese Vorladung bedeutete. Seine Freunde hatten ihm – mit kleinen Andeutungen und vor Neid glänzenden Augen – versichert, das Gremium wolle ihn für seine erfolgreiche Mission auf Roter-Punkt belohnen und in den Ritterstand erheben. Aber daran wagte Filp nicht zu glauben, denn er hielt seinen geistigen Zustand nicht für stabil genug, um dieser Ehre würdig zu sein. Worauf seine Mitschüler lachend erwidert hatten, er solle sich nicht hinter falscher Bescheidenheit verstecken, denn jeder im Kloster wisse, dass er der Krieger sei, dem die Ritterwürde am ehesten gebühre.
Noch einmal folgte Filp, in Gedanken verloren, mit Blicken dem Flug der Gelbmöwen und der Silberkammtölpel unter den dunkel heraufziehenden Wolken. Dann ging der Krieger über den mit einer Brüstung und Schießscharten befestigten Rundweg, der etwa zehn Meter breit und mit glatten Steinen gepflastert war, zum größten Burgfried. Der wurde Turm der Mahdis genannt, denn dort residierten die Großmeister des Ordens der Absolution. Er war rechteckig und aus großen, grob behauenen Quadern aus weißem Granit gebaut. Mit seiner Größe, die in die Wolken
hineinragte, dominierte er alle anderen Gebäude der Klosteranlage, die vier Türme an den Seiten mit grünen Dächern, die Glockentürme und die Dächer der Wohn-, Wirtschafts- und Verwaltungsbauten.
Drei finster dreinblickende Ritter in ihren grauen Kutten hielten Wache vor der massiven, aber vom Holzwurm befallenen Eingangstür. Sie hatten den Befehl, jeden Besucher zu durchsuchen und gehörten der Garde der Trapiten an, nach dem Mahdi Dinu Trapit benannt, der diese Elitetruppe gegründet hatte, um lästige Aspiranten möglichst fernzuhalten. In Wahrheit nahm die Garde die Stellung einer internen Polizei ein und diente dazu, eventuelle Revolten aufmüpfiger Ordensmitglieder aufzuspüren und zu unterdrücken. Nur erfahrene Ritter konnten Trapiten werden, und allein ihre Anwesenheit genügte, den Aufständischen jeglichen Mut zu nehmen. Oft nutzten sie die Angst aus, die sie einflößten, und zwangen jungen Anwärtern ihre Doktrin auf. Filp hatte noch nie etwas mit ihnen zu tun gehabt, aber er hatte gehört, dass sie junge Aspiranten misshandelten. Und da er wie ein Ephebe aussah, hätte ihn die Ablehnung gewisser Angebote der Trapiten in Gefahr bringen können.
Als er nun vor ihnen stand, musterten sie ihn mit verächtlichem Spott. Filp grüßte sie auf traditionelle Weise, indem er die Hand über seine Stirn legte. Sie rührten sich nicht, obwohl die Nichterwiderung des Grußes als schwerer Verstoß gegen die Regeln galt.
»Ich bin der Krieger Filp Asmussa«, erklärte er mit fester Stimme, »und wurde vom Entscheidungsgremium einbestellt.«
»Ach ja? Dessen müssen wir uns vergewissern, Krieger!«, sagte einer der Trapiten mit schneidender Stimme.
»Inzwischen rührst du dich nicht von der Stelle, verstanden? Gien, siehst du mal nach?«
Der Ritter namens Gien schnaubte auf und entriegelte betont langsam die Tür, die quietschend aufschwang.
»Asmussa? Bist du nicht der Sohn eines der Seigneurs der Konföderation?«, sagte der erste Trapit.
»Ganz richtig!«, entgegnete Filp zornig. Noch wütender wurde er, als er die Arroganz dieses Mannes mit dem Benehmen Long-Shu Paes verglich.
Diese Leute schienen ihm ihrer hohen Stellung unwürdig, obwohl sie ihrem Status nach als unentbehrliche Pfeiler des Ordens galten. Ganz plötzlich verlor diese Stellung als Ritter, die er mit der ganzen leidenschaftlichen Ausschließlichkeit angestrebt hatte, ihre mythische Aura. Seine letzten Illusionen zerbrachen an der Unverschämtheit dieser ungehobelten Kerle.
»Müssen wir dich etwa auch mit Seigneur anreden?«, fragte der Trapit und grinste provozierend.
Filp schwieg.
»Lass ihn doch, Frol«, sagte der erste Wächter. »Du siehst doch, dass Seine Hoheit
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