Krieger der Stille
Dimutas Hilfe brauchen. Ach, wie heißen Sie wirklich?«
Tixu sah Stanislav offen an. »Tixu Oty vom Planeten Orange. Aber am besten ist es, Sie vergessen meinen Namen, Stani. Sollten jemals die mentalen Inquisitoren Eingang in Ihre Gedanken finden, könnten wir beide den allergrößten Ärger bekommen.«
»Ich bade jeden Tag in diesem Wasser«, entgegnete der Hirte fröhlich. »Was kann mir da schon passieren?«
Zwar hörte sich dieses Argument völlig naiv an, doch Tixu ahnte, dass Stanislav Nolustrists Glaube gerechtfertigt war und er durch das Wasser geschützt war.
»Ich danke Ihnen für alles, was Sie für mich getan haben … Und was das Geld betrifft, das Sie mir geliehen haben … ich glaube nicht, dass ich es Ihnen zurückzahlen …«
»Ja, verflucht noch mal!«, schalt ihn der Hirte. »Noch
solch einen Unsinn, und ich werfe Sie ins Wasser. Sie beleidigen mich, wenn Sie noch einmal über Geld reden … Meine Intuition sagt mir, dass in Ihnen etwas Göttliches ist, etwas, das mir zwar unbekannt ist, dessen Bedeutung ich aber erkenne. Glauben Sie, dass man das Göttliche mit einer Hand voll marquisatinischer Dukaten aufwiegen kann? Mir wäre es lieber, wenn mir deswegen ein paar Schwächen verziehen würden, und an Schwächen mangelt es mir nicht … Und sollten Sie auf unüberwindbare Hindernisse stoßen, können Sie jederzeit wieder einen Unterschlupf in meiner bescheidenen Behausung finden.«
Eine Stunde später und nach der ersten Mahlzeit zur Begrüßung des Silberkönigs verabschiedete sich Tixu von seinem Gastgeber, der ihm für alle Fälle – »Und wagen Sie ja nicht, mir zu widersprechen!« – hundert marquisatinische Dukaten schenkte. Stanislavs schwielige Hand drückte Tixus Hand lange, und beide brachten vor lauter Rührung kein Wort mehr hervor.
Während der Silberkönig höher und höher am Himmel emporstieg, eilte Tixu über den steinigen Pfad ins Tal und erreichte bald die Vorstädte Duptinats. Von fern hörte er die nostalgischen Lieder Stanislav Nolustrists, und er musste den Sinn der Worte nicht verstehen, um zu wissen, dass der Hirte mit seiner schönen tiefen Stimme von Freundschaft und Traurigkeit sang.
Trotz der frühen Stunde war die Hauptstadt bereits in Hochstimmung – oder tat wenigstens so. Überall zwischen den Menschen auf den Straßen und Plätzen patrouillierten Interlisten in blauen Overalls und Pritiv-Söldner in grauen Uniformen.
Die Ovalibusse waren derart überfüllt, dass Tixu mehrmals glaubte, gleich ersticken zu müssen. Die Duptinatiner
überboten sich in ihrem Eifer, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, weil sie Repressalien fürchteten. Sie hatten eine höllische Angst vor den psychischen Fähigkeiten ihrer neuen Herren. Niemand konnte sich vor der mentalen Inquisition schützen, deshalb hütete sich ein jeder auch nur ein Fünkchen Missbilligung oder Gleichgültigkeit zu zeigen, was sofort die Aufmerksamkeit der Scaythen oder der Vertreter der Kirche des Kreuzes erregt hätte. Also hatten sich die Leute fein gemacht, geschminkt, gepudert und legten eine aufgesetzte Freude an den Tag, als würden sie Karneval feiern.
Der Ovalibus überflog die graublauen Dächer der Stadt, die vom phosphoreszierenden Licht der hängenden Straßenlampen bestrahlt wurden. Tixu stieg am Jatchaï-Wortling-Platz aus. Er war von Menschenmassen überfüllt. In der Mitte, ganz in der Nähe von Dame Armina Wortlings Hinrichtungsstätte hatten die neuen Machthaber eine riesige Holo-Leinwand aufgebaut. Sie thronte auf einem noch größeren, mit syracusischem, changierendem Stoff bespannten Podium, das außerdem mit weißen Blumen und geometrischen Leuchtmotiven dekoriert war. Die Zeit für die Übertragung schien schlecht gewählt, doch ein Text in Naflinisch auf der Leinwand ließ das marquisatinische Volk wissen, dass sich die kaiserlichen Astronomen nach offiziellen Berechnungen auf diesen Zeitpunkt unter Einbeziehung der planetarischen Zeitverschiebung und unter der Berücksichtigung der demografischen Bedeutung eines jeden Vasallenstaates geeinigt hätten, damit ein jeder per Direktübertragung der Inthronisation Menati Angs beiwohnen könne.
Tixu konnte sich nur einen Weg durch die bunt gekleidete und lärmende Menge bahnen, die zudem noch von
ambulanten Händlern bedrängt wurde, indem er sich rücksichtslos mit Füßen und Ellbogen Platz schaffte. Schließlich kam er vor dem Feuerkreuz an.
Die Duptinatiner hatten sich schnell an diese abscheulichen transparenten
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