Krieger der Stille
sagte Menati Ang. »Und was Eure Gesellschaftsdame Alakaït de Phlel betrifft, so macht Euch keine Sorgen um sie. Doch Ihr seid zu absolutem Stillschweigen verpflichtet, was die Todesumstände des Seigneurs Ranti angeht. Solltet Ihr dieses Schweigen aus irgendwelchen Gründen wem auch immer gegenüber brechen, gäbe es keinen Grund mehr, Euer Leben, das Eurer Tochter und das Eurer
Hofdame zu schonen. Dieses Schweigen ist der Preis für Eure Freiheit … Erspart mir Eure Dankesbezeugungen, Madame. Denn diese Entscheidung wurde eher in Eurem Interesse denn in meinem getroffen. Dankt vielmehr Eurer Beharrlichkeit … Vielleicht können wir jetzt den Sohorgo-Tanz ohne Hintergedanken genießen?«
Die kaiserliche Loge schwebte wieder nach unten und bahnte sich einen Weg zwischen den Logen der Höflinge hindurch, bis sie direkt vor der Bühne in der Luft verharrte. Menati Ang schwieg von nun an, den Blick mit distanziertem Interesse auf die zierlichen Tänzerinnen gerichtet.
Dame Sibrit wagte es nicht, dem Versprechen des Kaisers Glauben zu schenken. Denn alle seine Worte bedeuteten, dass sie aus einer Welt entlassen würde, in der sie sich trotz ihrer privilegierten Stellung immer fremd gefühlt hatte. Sie glich einem zu lange in einem zu engen Käfig gefangenen Vogel, der die Hoffnung aufgegeben hat, je wieder fliegen zu können. Und nun, da die Tür plötzlich offen steht, betrachtet er ängstlich die unendliche Weite des Himmels. Allein der Gedanke, ihre Heimat und ihren geliebten Vater wiederzusehen, kam ihr illusorisch vor.
Dieses Gefühl schien ihr umso eindringlicher, weil die unerwartete Entscheidung Menati Angs im Gegensatz zu ihrer traumhaften Vision von letzter Nacht stand. Seit Ranti Angs Tod war es das erste Mal, dass sie durch einen Traum schweißbedeckt aus tiefem Schlaf hochgeschreckt war. Denn sie hatte sich dem Kaiser hingegeben. Er hatte ihren Körper mit einer nahezu bestialischen Wildheit genommen. Doch am meisten hatte sie verstört, dass sie diesen brutalen Akt auf krankhafte Weise genossen hatte.
Aus Scham über ihre Reaktion hatte sie geweint und bei Anbruch des Tages lange gebadet, um sich von diesem geträumten nächtlichen Schmutz zu reinigen. Dann hatte sie versucht, sich zu überzeugen, dass dieser Traum kein Vorzeichen sei, keine Bedeutung habe und nur auf einem Zufall beruhe. Doch intuitiv wusste sie, dass dieser Traum nur ihre eigene Schwäche, ihre inneren Widersprüche ausdrückte.
Aber Menati Ang hatte verkündet, dass er auf sie verzichten wolle! Zu dem Gefühl großer Erleichterung gesellte sich jetzt ein leichtes Gekränktsein, das sie aber ihrer flatterhaften Natur zuschrieb. Sie beobachtete den Kaiser verstohlen. Der schien ganz und gar von dem Tanz gefesselt zu sein, doch in Wahrheit kämpfte er mit einer großen Enttäuschung, was Dame Sibrits weiblicher Intuition nicht entging.
Am Ende der Darbietung grüßten die Tänzerinnen und die Sänger das Publikum auf die gebotene zeremonielle Weise. Kein Atemhauch oder Wimpernschlag störte die von Bewunderung erfüllte Stille. Ein wahrhafter Triumph.
Eine weißviolette Loge der Geistlichkeit schwebte herbei und blieb vor der kaiserlichen Loge stehen. Das verschrumpelte Gesicht des Muffis der Kirche des Kreuzes, Barrofill XXIV., in üppige weiße Stoffbahnen gekleidet, tauchte über der Brüstung auf. Neben ihm saß der beleibte, in rot und violett gekleidete Kardinal Frajius Molanaliphül, dessen feistes gerötetes Gesicht seine ungezügelte Gier nach den Freuden einer überbordenden Tafel verriet.
Der Unfehlbare Hirte streckte seine Hand über die Brüstung. Menati Ang und Dame Sibrit hauchten gehorsam einen Kuss auf den klotzigen Ring des Muffis.
»Ich wünsche Euch einen guten Abend, Eure Heiligkeit«, sagte der Kaiser. »Hat Euch die Darbietung gefallen?«
»In dem Maße, wie es ihr gebührt, Monseigneur«, antwortete der Muffi mit seiner Fistelstimme. »Wenn der Sohorgo-Tanz auf diese Weise dargeboten wird, kann man von wahrhaft göttlicher Kunst sprechen.«
Menati Ang ahnte, dass die Anwesenheit des Unfehlbaren Hirten im Amphitheater nicht nur der Kunst geschuldet war und dieses scheinbar zufällige Treffen einen anderen Hintergrund hatte.
»Seid Ihr zufrieden mit der fortschreitenden Errichtung weiterer Missionen auf den Planeten des Imperiums, Eure Heiligkeit?«
»Was das betrifft, so haben wir nichts zu beklagen, Monseigneur. In jeder Stadt, auf jedem Planeten wird demnächst ein Dom der Kirche des Kreuzes
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