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Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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Ende zu nehmen, und die Hitze lastete schwer auf ihm. Auch der Bettler war erschöpft und konnte den jungen Mann nur noch mit Mühe stützen, aber er versuchte dennoch, ihn aufzumuntern.
    »Sie müssen durchhalten! Nur noch ein kleines Stück! Und noch ein Stück!«
    Endlich begriff Maranas in seinem geschwächten Zustand, was eigentlich offensichtlich war. Dieser quasi aus dem Nichts aufgetauchte Bettler mit der sanften Stimme und der gewählten Ausdrucksweise war kein gewöhnlicher Landstreicher, sondern eine Frau! Daher auch die zarte Gestalt, die feingliedrigen Hände … Er blieb stehen und lehnte sich an eine Mauer.
    »Wer … wer sind Sie?«, fragte er mit tonloser Stimme.
    »Ich bitte Sie! Für korrekte Umgangsformen haben wir jetzt keine Zeit. Sparen Sie sich Ihre Kräfte.«

    »Sie heißen nicht zufällig … Aphykit?«
    »Später! Das muss warten! Ist es noch weit bis zu jenem Ort, von dem Sie gesprochen haben?«
    Der Widerhall von Schritten war in dem Gässchen zu hören.
    »Sie sind immer noch hinter uns her …«, wimmerte Maranas, von Schmerzen und Angst überwältigt. »Wir sind verloren … Alles ist verloren …«
    Er schluchzte voller Verzweiflung. Jeder Mut hatte ihn verlassen. Er ließ sich an der Wand zu Boden gleiten und blieb dem Flehen der jungen Frau gegenüber taub. Er hatte nur noch einen Wunsch: dem beschwörenden Murmeln des Todes zu folgen und ihm nachzugeben.
    Das rötliche Licht des Gestirns Rotes Feuer schwand allmählich und machte dem kalten und grünlichen Licht des Gestirns Grünes Feuer Platz, das jetzt hoch am Himmel stand. Matana erwachte in der ersten Dämmerung. Vom Basar im Zentrum der Stadt tönten die Schreie der Händler.
    Das wilde Getrappel wurde lauter. Aphykit spürte, wie der Boden unter ihr vibrierte. Der Mörder war nicht mehr weit. Sie zögerte. Was sollte sie tun? Ihr Mitgefühl verbot ihr, den Verwundeten zu verlassen. Aber diese Entscheidung konnte sich als fatal erweisen. Denn es stand mehr auf dem Spiel als das Leben eines Einzelnen, selbst wenn allein er Kenntnis von Sri Mitsus Testament hatte, dessen Inhalt sie bereits erraten hatte.
    Da fiel ihr eine Maxime von Spol Barneth ein, einem pränaflinischen Philosophen: »Menschliche Gefühle sind gut, außer sie arten in Überempfindsamkeit aus. Dann wirf sie bedenkenlos über Bord, denn sie hindern dich am Handeln.«

    Neben Maranas wurde plötzlich eine niedrige Tür geöffnet. Ein mürrisches, zerfurchtes Gesicht, das vom Schein roten Haars umgeben war, lugte durch den Türspalt. Auf Stirn und Kinn hatte die alte Frau dunkelblaue Tätowierungen. Sie krächzte ein paar unverständliche Worte, und als Aphykit nicht reagierte, gab sie ihr mit ihrem knochigen Zeigefinger zu verstehen, dass sie eintreten solle.
    Die junge Frau ließ sich nicht lange bitten. Sie ergriff Maranas’ Handgelenk und schleifte ihn zur Tür. Die Alte half ihr, den Verwundeten ins Haus zu bringen, wobei sie ständig vor sich hin schimpfte, schloss dann die Tür und legte einen schweren Riegel vor.
    Aphykit lehnte sich gegen die Holztür, schöpfte Atem und versuchte, wieder klar denken zu können. Ihr Herz schlug wild, und sie schwitzte derart, dass ihr ganzer Körper nass war. Seit sie nicht mehr ihren Colancor trug, der jede Feuchtigkeit absorbiert hatte, kam sie sich schmutzig vor.
    Als sie die Schritte des Mörders vor dem Haus hörte, erstarrte sie und hielt den Atem an.
    Maranas lag mit angezogenen Beinen auf dem gefliesten Boden und wimmerte leise. Aus seinem bläulich verfärbten Mund lief mit Blut vermischter Speichel.
    Die Alte musterte die Bettlergestalt misstrauisch und schimpfte vor sich hin, weil sie das Gesicht des Neuankömmlings nicht erkennen konnte. Als einziges Kleidungsstück diente ihr ein Tuch aus grobem Stoff, das sie um ihre mageren Hüften geschlungen hatte. Ihre Haut war kupferfarben und schlaff und ihre Brüste hingen wie leere Hautsäcke herunter.
    Aphykit begriff, dass sich die Alte vor ihrem Aufzug
fürchtete. Nur zu gern zog sie die schmutzige Kapuze herunter. Als die alte Prougin das volle goldene Haar der Syracuserin sah, das ihr in Wellen bis auf die Schultern fiel, ihre feinen Gesichtszüge und ihre Alabasterhaut, stieß sie vor Verblüffung einen Schrei aus. Die Alte glaubte, vor ihr stehe eine der Zauberinnen aus den uralten Legenden ihrer Heimat, weil diese Godappi, diese Fremde aus den Welten des Zentrums, sich ebenso verkleidet hatte wie die Zauberinnen es taten, damit sie den Sterblichen

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