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Krieger der Stille

Krieger der Stille

Titel: Krieger der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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nun, als sie sich mit der Wirklichkeit abfand, überkam sie eine wohltuende Erleichterung, trotz der großen Trauer, die sie empfand.
    Sie nahm ein Stück Fleisch und steckte es in ihren Mund, der sofort wie Feuer brannte. Tränen, die sie zu lange zurückgehalten hatte, schossen ihr in die Augen. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte sie nicht mehr geweint. Und die warmen Tränen, die nun über ihre Wangen rannen, weckten längst vergessen geglaubte Erinnerungen in ihr.
    »Das ist scharf, nicht?«, sagte Kirah. »An Inoniis Küche müssen sich verwöhnte Münder erst gewöhnen. Du … stammst du nicht vielleicht aus einer der Welten des Zentrums, Godappi-Dame?«
    Das Brennen breitete sich in Aphykits gesamten Verdauungstrakt
aus, aber weil sie wieder zu Kräften kommen musste, zwang sie sich zu essen.
    Nichts hatte so wie vorgesehen geklappt. Der brutale Mord an Sri Mitsu, dem ehemaligen Smella und dem einzigen Mann, der ihr hätte helfen können, verunsicherte Aphykit. Und mit dem Tod ihres Vaters lebte nur noch einer der Großmeister der Inddikischen Wissenschaft. Die beiden anderen hatten keine Zeit mehr gehabt, ihre – Aphykits  – Ausbildung zu vollenden. Und jetzt war sie allein, mittellos und wurde verfolgt, und sie wusste nicht, wie sie zum Kloster Selp Dik reisen sollte, wo sich der letzte Großmeister aufhielt, der Mahdi Seqoram.
    Die scharfen Gewürze schienen alle Flüssigkeit aus ihrem Körper zu treiben. Sie schwitzte entsetzlich, und ihre alten Lumpen stanken noch unerträglicher.
    »Wenn du aufgegessen hast, bringt dich Inonii ins öffentliche Bad. Dort findest du saubere Kleider, die … die deiner Schönheit angemessen sind«, murmelte Kirah verwirrt, so als hätte ihn seine Kühnheit erschreckt.
    Plötzlich wurde die Stille des Hauses von einem entsetzlichen, durchdringenden Schrei unterbrochen.
    »Hm, Maranas’ Mutter ist gekommen«, sagte Kirah beunruhigt. »Ich weiß nicht, ob das gut für dich ist, Godappi-Dame. Mütter haben hier, in Matana, viel zu sagen … Ich sehe mal nach.«
    Schweiß klebte Aphykits Haare an Schläfen und Stirn. Ihre Haut fühlte sich klebrig an, überall, an ihrem Bauch, ihrem Rücken, und zwischen ihren Brüsten bildeten sich kleine Schweißperlen. Diese neue Erfahrung verunsicherte sie, sie schwankte zwischen Wohlbefinden und Abscheu. Seit ihrer Kindheit hatte sie noch nie so lange ohne ihren Colancor gelebt, den sie nur während des abendlichen Bades
in den Reinigungswellen abzulegen pflegte. Doch ihr Vater hatte sie schon früh vor dem exzessiven Gebrauch dieses Trikots gewarnt: Die Gewöhnung kann Traumata auslösen, hatte er gesagt. Solltest du eines Tages in anderen Welten leben müssen, kannst du dich dort nicht anpassen. Jetzt begriff sie, was er damit gemeint hatte. Und sie fragte sich, ob die emotionale Kontrolle, diese Art, immer die Fassung zu bewahren, nicht noch größere Traumata als der Colancor verursachte.
    So in ihre Gedanken versunken, hatte sie nicht gemerkt, dass Kirah aus dem Zimmer gegangen war.
    Ein paar Minuten später erschien der kleine Prouge wieder und rief: »Maranas will dich sehen! Komm schnell. Er hat nicht mehr lange zu leben. Aber seine Mutter macht dir kein Geschenk. Der Schmerz macht sie wahnsinnig.«
    Aphykit stellte den Teller hin und sah den Jungen an. »Was soll das heißen: ›kein Geschenk‹?«
    »Ich habe keine Zeit, dir alle unsere Sitten und Gebräuche zu erklären. Komm jetzt, Godappi-Dame!«
    Der kleine Prouge lief bereits die Treppe hinunter. Aphykit stand auf und versuchte, ihre Kleidung glatt zu streichen. Sie war unendlich müde, jeder ihrer Muskeln schmerzte. Ihre Beine waren wie Watte und trugen sie kaum. Auf der engen Treppe wäre sie fast gestolpert.
    Die alte Inonii umarmte eine jüngere, dickleibige Frau, die grell geschminkt war. Selbst unter ihrer langen, weit geschnittenen Tunika, deren türkisfarbener Stoff mit Gold- und Silberfäden durchwirkt war, zeichneten sich ihre Spreckringe ab. Schwarzer Kajal hatte sich mit ihren Tränen vermischt und lief in dunklen Schlieren über ihre speckigen Wangen. Ihre rote ungekämmte Mähne fiel bis auf ihren ausladenden Hintern herab.

    Als sie Aphykit entdeckte, löste sie sich aus Inoniis Umarmung, zog die Nase hoch, ballte die Faust und stieß wüste Verwünschungen aus.
    Kirah ignorierte die fette Frau mit der Souveränität eines Raumschiffkommandanten, dessen Fahrzeug in einen interstellaren Sturm geraten ist. Er gab Aphykit ein Zeichen, an das Lager des

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