Krieger des Feuers - Sanderson, B: Krieger des Feuers - The Well of Ascension, Mistborn 2
einmal durch.
In der Überlieferung der Vorahnung gab es auch einen Platz für mich – ich hielt mich für den Heiligen Ersten Zeugen, den Propheten, dem es vorherbestimmt war, den größten Helden aller Zeiten zu entdecken. Wenn ich Alendi verleugnete, musste ich auch mein neues Amt verleugnen und würde von den anderen nicht mehr anerkannt sein.
Die Runzeln auf Sazeds Stirn wurden noch tiefer. Er fuhr den Absatz mit dem Finger nach. Draußen wurde es allmählich dunkel, und einige Nebelfetzen umflossen die Läden und krochen in den Raum, bevor sie sich auflösten.
Der Heilige Erste Zeuge, las er noch einmal. Wie hatte mir das entgehen können? Genauso haben mich die Leute am Tor genannt. Und ich habe es nicht erkannt.
»Sazed.«
Er fuhr zusammen und hätte beinahe sein Buch zu Boden gestoßen, während er sich umdrehte. Vin stand hinter ihm, ein Schatten im schwach erhellten Raum.
»Herrin Vin! Ihr seid aufgewacht!«
»Du hättest mich nicht so lange schlafen lassen sollen«, sagte sie.
»Wir haben versucht, Euch zu wecken«, sagte er sanft. »Ihr lagt im Koma.«
Sie sagte nichts darauf.
»Vielleicht war es das Beste so, Herrin Vin«, sagte Sazed. »Die Kämpfe sind vorüber, und Ihr habt Euch in den letzten Monaten zu viel zugemutet. Jetzt aber ist es vorbei, und es ist gut, dass Ihr Euch ausgeruht habt.«
Sie trat vor, schüttelte den Kopf, und Sazed erkannte, wie ausgezehrt sie trotz ihres tagelangen Schlafes noch immer wirkte. »Nein, Sazed«, sagte sie. »Es ist noch nicht vorbei. Noch lange nicht.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte Sazed besorgt.
»Ich höre es noch in meinem Kopf«, erklärte Vin und hob eine Hand an die Stirn. »Sie ist hier. In dieser Stadt.«
»Die Quelle der Erhebung?«, fragte Sazed. »Aber, Herrin Vin, ich habe Euch belogen. Ich entschuldige mich dafür. Ich weiß nicht einmal, ob sie wirklich existiert.«
»Glaubst du, dass ich die Heldin aller Zeiten bin?«
Sazed wandte den Blick von ihr ab. »Vor einigen Tagen, auf dem Feld draußen vor der Stadt, da war ich mir noch sicher. Aber … inzwischen … weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll. Die Prophezeiungen und Geschichten sind ein Durcheinander von Widersprüchen.«
»Es geht nicht um die Prophezeiungen«, sagte Vin, ging zu seinem Tisch und betrachtete das darauf liegende Buch. »Es geht um das, was getan werden muss. Ich spüre es … es zieht mich an.«
Sie warf einen Blick auf das geschlossene Fenster, an dessen Rändern sich die Nebelschwaden wanden. Sie trat an das Fenster, öffnete es und ließ die kalte Winterluft herein. Vin schloss die Augen; der Nebel überspülte sie. Sie trug nur ein einfaches Hemd und eine Hose.
»Ich habe früher einmal daraus geschöpft, Sazed«, sagte sie. »Hast du das gewusst? Hatte ich es dir schon gesagt? Als ich gegen den Obersten Herrscher gekämpft habe. Ich habe meine Kraft aus dem Nebel gezogen. Auf diese Weise konnte ich ihn besiegen.«
Sazed zitterte – nicht nur wegen der Kälte. Sondern wegen dem Ton in ihrer Stimme und dem Klang ihrer Worte. »Herrin Vin …«, sagte er, aber er wusste nicht, wie er fortfahren sollte. Sie hatte aus dem Nebel geschöpft? Wie meinte sie das?
»Die Quelle ist hier«, wiederholte sie und schaute aus dem Fenster, während der Nebel im Zimmer umhertrieb.
»Das ist unmöglich, Herrin. Darin stimmen alle Berichte überein. Die Quelle der Erhebung wurde in den Bergen von Terris entdeckt.«
Vin schüttelte den Kopf. »Er hat die Welt verändert, Sazed.«
Er sah sie verständnislos an. »Wie bitte?«
»Der Oberste Herrscher«, flüsterte sie. » Er hat die Ascheberge
geschaffen. Die Berichte sagen, dass er die großen Wüsten um das Reich angelegt und das Land zerbrochen hat, um es zu bewahren. Warum sollte alles noch wie zu der Zeit sein, als er zur Quelle gekommen ist? Er hat Berge erschaffen. Hätte er sie nicht auch planieren können?«
Sazed spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief.
»Ich würde es so machen«, fuhr Vin fort. »Wenn ich wüsste, dass die Macht zurückkehrt, dann würde ich sie festhalten wollen. Ich würde die Quelle verstecken. Die Legenden würde ich belassen, denn sie reden von den Bergen im Norden. Und dann würde ich meine Stadt um die Quelle herum anlegen, damit ich sie im Auge behalten kann.«
Sie drehte sich um und sah ihn an. »Sie ist hier. Die Macht wartet.«
Sazed machte den Mund auf und wollte etwas entgegnen, aber ihm fiel nichts ein. Er hatte keinen Glauben mehr. Wieso sollte er etwas
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