Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
den Stab.«
Robert griff in den Kasten. Die goldene Hülle des Krummstabs war eiskalt. Langsam zog er den Stab des Königs der Könige heraus, das Symbol absoluter Macht. Merlins Vision zufolge machte die Reliquie, wenn sie in Westminster mit dem Schwert des Erbarmens, der Artuskrone und dem Krönungsstein vereint wurde, Edward zum Herrscher über ganz Britannien. Robert dachte an das, was er in dem feuchten Keller von Dunluce Castle entdeckt hatte, und musste sich zwingen, dem König den Stab hinzuhalten, weil sich alles in ihm dagegen sträubte.
Edward griff begierig nach der Reliquie. Er erhob sich, wobei sich seine scharlachrote Robe um ihn bauschte, und hielt ihn in die Höhe, um ihn seinen Männern zu zeigen. Als Jubel in der Menge aufbrandete, begann Roberts Herz zu hämmern.
Der Beifall ebbte ab, und der König blickte kalt auf ihn herab. »Ihr dürft Euch erheben. Mein Haushofmeister wird Euch Eure Unterkunft zeigen. Und was Sir Richards Vorschlag angeht – ich werde darüber nachdenken.«
»Danke, Mylord«, murmelte Robert. Er stand auf, spürte, wie das Blut in seine Beine zurückströmte. Dabei löste sich das Eisenstück, das er um den Hals trug, aus den Falten seines Mantels.
»Was ist das?«
Robert wich Edwards scharfem Blick nicht aus. Erregung stieg in ihm auf. Zwar hörte er James’ Stimme, die ihn zur Vorsicht mahnte, aber er verdrängte sie entschlossen. Er hatte diese Enthüllung aufschieben wollen, aber nun war ihm die Entscheidung aus der Hand genommen worden, und er würde die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. »Die Spitze eines Armbrustbolzens, Mylord, der in Irland auf mich abgeschossen wurde.«
Edwards Mundwinkel zuckten – ein unfreiwilliges Eingeständnis seiner Überraschung. Es hielt nur den Bruchteil einer Sekunde lang an, dann setzte der König wieder seine übliche undurchdringliche Miene auf, aber Robert hätte schwören können, einen Moment lang eine neue, bislang unbekannte Regung in Edwards Gesicht wahrgenommen zu haben.
Er war sich absolut sicher, dass es sich um einen Anflug von Furcht gehandelt hatte.
17
Rothesay, Schottland, A.D. 1302
VOM FENSTER SEINES PRIVATGEMACHS AUS verfolgte James Stewart, wie die Reiter unter den hochgezogenen Zacken des Fallgitters hindurch in den Hof strömten. Die Pferde schnaubten Dampfwolken in die Morgenluft, das Klappern ihrer Hufe hallte von den verwitterten Mauern und Türmen von Rothesay Castle wider.
Die Männer hatten sich zum Schutz vor der Februarkälte in pelzgefütterte Umhänge gehüllt und die Kapuzen tief in die Stirn gezogen, aber James erkannte die Wappen auf den Überwürfen und Schabracken sofort. Bei dem Anblick empfand er keine Überraschung, sondern lediglich müde Resignation.
Es klopfte an der Tür. James drehte sich um, als sie geöffnet wurde und sein Haushofmeister eintrat.
»Es sind Besucher eingetroffen, Mylord. Wollt Ihr sie empfangen?«
»Bring sie direkt in die Halle.« James blickte erneut aus dem Fenster. Die Reiter stiegen ab, und seine Stallburschen kamen herbeigeeilt, um die Pferde zu versorgen. »Und ruf die anderen, Alan. Es ist Zeit.«
Sobald der Haushofmeister den Raum verlassen hatte, trat James an seinen mit Dokumenten übersäten Tisch. Das Feuer im Kamin sprühte Funken, während es die Scheite verzehrte, mit denen seine Diener es gefüttert hatten. Er schloss die Augen und holte tief Atem.
Ja, er hatte gewusst, dass dieser Tag unausweichlich kommen würde, wünschte sich aber inbrünstig, der bevorstehenden Begegnung aus dem Weg gehen zu können. Einen Moment lang gestattete er sich, sich dem Kummer darüber hinzugeben, wie alles gekommen war, betrauerte die Notlage seines von der eisernen Faust des Krieges geschwächten Königreiches und seiner Bewohner. Die andauernden Kämpfe hatten während der letzten Jahre Blut und Leben, Wohlstand und Glauben aus ihnen herausgepresst. Seit sein Vasall William Wallace für sie den Sieg bei Stirling errungen hatte, war das Glück den Schotten nicht hold gewesen. Und jetzt konnte der Rest des den Männern verbliebenen Glaubens von James’ eigener Hand zermalmt werden. Nur er kannte das Geheimnis – wusste, dass jenem tief in das Herz von England gepflanzten Samen Hoffnung entspringen konnte.
Er wappnete sich für das bevorstehende Gespräch, ging zur Tür und trat in die weitläufige, dämmrige Halle hinaus. Das frische Stroh, das die Fliesen bedeckte, dämpfte seine Schritte. In der Hitze, die die Kamine verströmten,
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