Krieger des Friedens: Roman - [Robert the Bruce 2] (German Edition)
folgen. Als ihm der Kasten übergeben wurde, dachte Robert an den barschen, vernarbten Bruder Murtough, der sein Leben gegeben hatte, um den Stab zu beschützen. Seine Schulter schmerzte, als er die Kiste hochhievte und hinter Ulster über den windigen Hof und durch die mächtigen Türen der Halle in einen gewölbeartigen dämmrigen Raum schritt.
Westminster Hall, vom Sohn des Eroberers erbaut, war zweihundertvierzig Fuß lang. Reihen massiver Säulen trugen das Dach und teilten die Halle in drei Gänge. Türen führten in abgetrennte Bereiche, die die verschiedenen Gerichte beherbergten. Entlang der nördlichen Wand reihten sich Stände, an denen die Schreiber und Anwälte Pergament, Schreibfedern und Tinte erstehen konnten. König Edward hätte keine bessere Kulisse als diesen von Verfahren, Verhandlungen und Urteilen bestimmten Ort wählen können, um seine Kapitulation entgegenzunehmen. Robert musste gegen seine wachsende Beklommenheit ankämpfen, als er den Mittelgang entlang auf ein großes, mit einem Teppich bedecktes Podest an der Südwand zuging.
Auf der Plattform stand ein von dem fahlen Licht, das durch die bogenförmigen Fenster fiel, beleuchteter Thron. Davor hatte sich eine Schar Männer versammelt, die zur Seite traten, als die Gruppe näher kam. Robert ging hinter Ulster; die breitschultrige Gestalt des Earls versperrte ihm den Blick auf das Podest, daher hörte er König Edwards Stimme, bevor er den Mann selbst sah: den vertrauten stählernen Ton, mit dem er den Earl aufforderte vorzutreten. Als Ulster die Stufen hochstieg und auf ein Knie sank, konnte Robert endlich sehen, was vor ihm geschah.
Edward Longshanks saß so steif und aufrecht wie der geschnitzte Stuhl selbst auf dem Thron. Er sah älter und hagerer aus, seine Wangen waren eingefallen und sein herabhängendes Lid noch ausgeprägter, aber trotzdem wirkte er in seinem scharlachroten, mit drei Löwen bestickten Überwurf und der goldenen Krone auf dem Kopf so eindrucksvoll wie eh und je.
Der Schmerz in Roberts Schulter verstärkte sich, das Gewicht des Kastens zerrte an seinen Armen. Während sich der König und Ulster begrüßten, wurde er sich der zahlreichen Augen bewusst, die auf ihm ruhten. Sein Blick wanderte über die Gesichter der Männer in der Menge. Dort waren Anthony Bek, der Bischof von Durham, und John de Warenne, der alte Earl of Surrey, dessen Armee bei Stirling von Wallace’ Truppen vernichtend geschlagen worden war. Neben ihm standen die königlichen Ritter Ralph de Monthermer und Robert Clifford, seine ehemaligen Kameraden, die ihn jetzt stumm und grimmig taxierten. In der Nähe sah er Henry Percy mit seinen kalten blauen Augen und Thomas of Lancaster, dessen nun mehr männliche als jungenhafte Züge starr vor Abneigung waren. Daneben stand der schlaksige rothaarige Guy de Beauchamp, der Earl of Warwick. Robert hatte sich wegen einer Affäre mit der Schwester des Mannes außerhalb der Mauern von Conwy Castle mit ihm duelliert. Seiner finsteren Miene nach zu urteilen, hatte sich an Guys Feindseligkeit ihm gegenüber nicht das Geringste geändert.
Es versetzte Robert einen Stich, als sich sein Blick mit dem eines hoch gewachsenen Mannes direkt neben dem Podest kreuzte. Es war Aymer de Valence, der Vetter des Königs und Erbe der Grafschaft Pembroke. Nachdem der Schock des Wiedererkennens abgeflaut war, stellte sich die alte Feindschaft wieder ein. Er erinnerte sich daran, wie der schwarzhaarige Ritter in dem verfallenen, staubigen Haus in Llanfaes mit gezücktem Schwert auf ihn losgegangen war. Aymer bleckte hasserfüllt die Zähne, und Robert sah den Draht aufblitzen, mit dem zwei Schneidezähne eines anderen Mannes in seinem Mund befestigt waren. Seine eigenen hatte Robert ihm bei dem Kampf in Llanfaes mit seiner kettenhandschuhbewehrten Faust ausgeschlagen. Aymer trat einen Schritt vor, doch eine Hand packte ihn an der Schulter. Sie gehörte Humphrey de Bohun. In diese grünen, von ruhiger Abneigung erfüllten Augen zu blicken fiel Robert am schwersten. Die anderen hatte er einst Bruder genannt, aber eher im formellen Sinn, da sie alle der Gemeinschaft der Drachenritter angehörten. In Bezug auf Humphrey hatte er dieses Wort ernst gemeint. Wie trügerisch sich jener Sand unter ihren Füßen verlagert und sie von der Bruderschaft zum Schlachtfeld getragen hatte.
»Tretet vor.«
Die Stimme des Königs riss Robert aus seinen Gedanken, und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Podest. Als er sah, dass Ulster
Weitere Kostenlose Bücher