Krieger des Lichts - Palmer, P: Krieger des Lichts
nehme, ja?«
Die Furcht, die in ihrer Stimme mitschwang, berührte etwas tief in seiner Brust. Er verspürte wieder den Drang, sie zu provozieren, aber er unterdrückte ihn und lächelte sie stattdessen an.
»Ich werde es dir sagen.«
Das Kribbeln wurde ein bisschen weniger, aber sie entzog ihm trotzdem deutlich mehr Energie als damals. Fünf Minuten später spürte er einen ersten Anflug von Benommenheit.
»Genug, Liv.«
Sie hörte sofort auf, und in ihren Blick trat Sorge. »Zu viel?«
»Ja. Ich spüre es. Du bist noch nicht satt?«
»Nein. Ich habe das Gefühl, als hätte sich mein Energiebedarf um ein Vielfaches erhöht.«
»Wenn die anderen da sind, kannst du es noch mal versuchen. Mach es ganz langsam, immer nur ein bisschen.«
Olivia griff nach seinem Arm. »Setz dich hin, Jag, bis du dich wieder besser fühlst. Ich kann dich nicht auffangen, wenn du umkippst.«
»Sicher? Du bist viel stärker, als du aussiehst.« Doch er ließ sich von ihr auf einen Baumstumpf ziehen.
Sie stand vor ihm und musterte ihn besorgt.
»Es geht mir gut, Olivia. Ich bin nur etwas benommen.« Doch es war beunruhigend zu erkennen, wie schnell sie ihn umbringen könnte, wenn sie nur wollte. Glücklicherweise sah er, wie viel Angst ihr diese Erkenntnis einflößte. »Du tötest nicht gern, nicht wahr?«
»Bei einem Kampf zögere ich nie. Aber ich bringe keine Unschuldigen um … oder Freunde.«
Langsam legte er den Kopf zur Seite und sah sie an. »Es muss noch eine weitere Kategorie geben, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in keine von beiden passe.«
Er merkte, dass er ihr mit seinen Worten ein wenig die Angst hatte nehmen wollen und gehofft hatte, ihr ein Lächeln zu entlocken.
Aber der Blick, mit dem sie ihn bedachte, war viel zu ernst. »Wenn du nicht gerade versuchst, mich zur Weißglut zu bringen, Jag, bist du mein Freund. Trotz all der Schwierigkeiten zwischen uns verstehst du mich besser als je ein anderer vor dir. Ich weiß nie, was du vorhast, und ich weiß immer noch nicht, ob du mich verraten wirst, aber im Moment bist du der beste Freund, den ich habe. Vielleicht sogar der beste Freund, den ich je hatte. Denn bei dir bin ich ganz und gar ich selbst.«
Ihre Worte trafen ihn. Süße Labsal für seine ausgedörrte Seele einerseits und zugleich ein heftiger Angriff auf das, was in ihm war. Die Verbitterung. Und er wusste, dass sie recht hatte. Doch jene verbitterte Seite von ihm wollte es nicht, wollte nicht, dass sie ihn mochte oder ihn einen Freund nannte. Wollte nicht, dass irgendjemand ihn mochte.
Doch gerade als die hässliche Fratze in seinem Innern den Kopf heben wollte, um die Waffenruhe zu brechen, bog Tighes weißer Landrover auf den Parkplatz ein. Dahinter sah er Hawkes Monstergeländewagen kommen. Der GMC Yukon mochte vielleicht so groß wie Jags Hummer sein, doch er war kein solcher Spritfresser wie Jags Wagen. Dieser blöde Hawke hatte sich einen Wagen mit Hybridmotor gekauft.
Jag stand auf und war froh, als er feststellte, dass die Benommenheit weg war. Er warf ihr einen Blick zu, als sie sich durch den Wald in Richtung Motel in Bewegung setzten. »Was, wenn sich dein Energiebedarf noch weiter erhöht?«
Erschrocken schaute sie ihn an, und ausnahmsweise einmal sah man ihren fast sechshundert Jahre alten Augen jedes einzelne Jahr an. »Ich werde die Verantwortung für den Tod von Unschuldigen nicht auf mich nehmen. Ich weigere mich. Wenn ich anfangen sollte, anderen Schaden zuzufügen, wirst du mich aufhalten müssen.«
»Ich weiß.«
Und er würde es tun. Er hatte keine andere Wahl. Aber er gab sich auch keinerlei Illusionen hin. Sollte er gezwungen sein, Olivia das Leben zu nehmen, würde ihn das vernichten.
13
»Wie läuft’s mit dem Schwachkopf?«
Niall stellte ihr die Frage leise, als er und Ewan sich auf dem Parkplatz des Motels zu ihr gesellten.
Während Jag Delaney und die Krieger die Treppe hochführte, blieb Olivia zurück, um sich von ihren Männern Bericht erstatten zu lassen und sie ihrerseits über alles Neue in Kenntnis zu setzen.
»Jag ist eine Herausforderung«, erwiderte Olivia gelassen, während sie bemüht war, jedes Gefühl zu verbergen, das in ihrer Stimme mitschwingen könnte. Diese beiden Männer kannten sie viel zu gut. Doch in mancherlei Hinsicht kannten sie sie überhaupt nicht. »Aber keine, mit der ich nicht fertig werden würde.«
»Wenn er dir was tut … «, fuhr Niall hitzig auf.
Ewan versetzte ihm einen Schlag gegen die Schulter. »Was dann?
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