Krieger des Lichts - Palmer, P: Krieger des Lichts
dabei das Handtuch fester um sich zog, spürte sie eine große, warme Hand, die sich auf ihre Schulter legte.
Olivia verkrampfte sich, als Jag sie zu sich umdrehte. Sie sahen einander in die Augen, und einen einzigen, kurzen Moment lang erhaschte sie in seinem Blick einen Schmerz, der genauso tief war wie ihrer. Und sie spürte, wie die hauchdünne Verbindung zwischen ihnen stärker wurde und wuchs. Hätte er jetzt seine Arme geöffnet, wäre sie ohne zu zögern auf ihn zugegangen, um sich von ihm an die Brust ziehen zu lassen.
Doch er runzelte nur die Stirn, während sich sein Mund in der vertrauten, unangenehmen Art und Weise verzog, und sie wappnete sich für das Unausweichliche. Einmal mehr hatten sie Verbindung zueinander aufgenommen. Einmal mehr hatte er etwas getan, um sie zu verärgern, um sie wegzustoßen.
Doch diesmal schaute er nur grimmig, machte auf dem Absatz kehrt, marschierte ins Badezimmer und knallte die Tür zu.
Olivia strich sich das Haar aus dem Gesicht und ließ das Handtuch zu Boden fallen, als sie hörte, wie die Dusche angestellt wurde. Dann drückte sie die Handballen gegen ihre heißen Augen. Ihr Körper vibrierte immer noch vom Nachhall der eben erlebten Lust, sie spürte noch die feuchte Hitze zwischen ihren Schenkeln und das Gefühl seiner warmen Hand, die sich fest an sie gedrückt hatte. Ihre Brust schmerzte ob der tiefen Sehnsucht, von der sie gar nichts gewusst hatte, bis er wie ein wildes, angriffslustiges Tier in ihr Leben getreten war.
Dieser Mann kehrte ihr Innerstes nach außen. Entriss ihr alle Geheimnisse, raubte ihr ihren Willen, brachte Gefühle und Schwachstellen an den Tag, die sie vor Äonen aus ihrem Leben ausgeschlossen hatte. Schlimmer noch, er quälte sie immer wieder mit flüchtigen Blicken auf etwas Schönes, Außergewöhnliches – Nähe, Vertrauen, Fürsorge – , das es niemals geben konnte. Nicht mit Jag.
Mit niemandem.
Von dem Moment an, in dem Jag in ihr Leben getreten war, hatte er es systematisch in seine Bestandteile zerlegt. Sie wollte, dass das aufhörte, dass es vorbei war. Sie wollte fort von ihm, so weit von ihm fort wie nur irgend möglich.
Aber würde er sie gehen lassen? Und wichtiger noch: Würde er sie mit einem Leben gehen lassen, das noch intakt war? Sie wusste es einfach nicht. Der Mann, auf den sie manchmal einen Blick erhaschte, war nicht grausam. Er würde sie nur vernichten, wenn er meinte, es tun zu müssen.
Doch dieser Mann war nicht derjenige, der immer das Sagen hatte.
Und der Jag, den sie kannte, war das Gegenteil von diesem Mann.
Fürs Erste war sie an ihn gebunden, ihr Schicksal lag in seinen Händen. Es sei denn, sie entschied sich wegzulaufen.
Aber sie war noch nie eine gewesen, die weglief.
Jag ließ das heiße Wasser der Dusche über seinen Kopf strömen, sodass der ganze Dreck des vergangenen Tages fortgewaschen wurde, während er sich wünschte, er könnte auch die bittere Galle loswerden, die sein Inneres fraß.
Was war nur mit ihm los?
Olivia ging ihm an die Nieren, das war es. Es gab Momente, in denen sie ihn anschaute und er hätte schwören können, dass sie ihm bis auf den Grund der Seele sah. Direkt in die Senkgrube, die eigentlich sein Herz war.
Es gab Momente, in denen sie anschmiegsam war und er sie am liebsten die ganze Zeit an seine Brust gedrückt hätte, um ihrem Herzschlag zu lauschen. Dann wieder erfüllten ihn Zorn und Bitterkeit und er konnte gar nicht schnell genug von ihr wegkommen.
Er wollte nicht, dass sie anschmiegsam war. Er wollte sie stark. Zäh. Wütend.
Der Gedanke ließ ihn plötzlich innehalten. Warum wollte er, dass sie wütend war?
Einen halben Herzschlag lang wusste er nicht, warum.
Doch dann fiel ihm wieder ein, was sie ihm vorgeworfen hatte. Meiner Meinung nach kannst du es nicht ertragen, wenn jemand dich mag. Du willst, dass alle dich genauso sehr hassen, wie du dich selbst hasst .
Blödsinn. Ein Leben ohne eine kleine Auseinandersetzung hin und wieder langweilte ihn. So einfach war das. Zu sehen, wie Olivias Augen vor Wut Funken sprühten, gefiel ihm.
Ja? Tat es das wirklich?
Verdammt, er wusste es nicht. Eigentlich wusste er gar nichts mehr. Er hatte sich noch nie so unwohl in seiner Haut gefühlt, wie seitdem Olivia im Haus des Lichts eingetroffen war.
Er griff nach der Seife und wusch sich damit, kratzte sich mit den Nägeln förmlich die Haut auf. Heilige Göttin, manchmal wünschte er sich, er könnte sich aus seinem Körper herauswinden und seine Haut hinter
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